Bundesregierung muss Parlament besser über Geheimdienste aufklären

Das Bundesverfassungsgericht hat die Praxis der Bundesregierung gerügt, bei Anfragen von Bundestagsabgeordneten zu Tätigkeiten der Nachrichtendienste jegliche Auskunft zu verweigern.

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Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung gerügt, weil sie Anfragen von Bundestagsabgeordneten zu Tätigkeiten der Nachrichtendienste nicht beantwortet und pauschal auf das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) für die Spione hingewiesen hat. Der Zweite Senat des Karlsruher Gerichts stellte in einem jetzt veröffentlichten Urteil (2 BvE 5/06) fest, die Bundesregierung habe Antworten auf mehrere "Kleine Anfragen" von 2006 "mit verfassungsrechtlich nicht tragfähigen Begründungen verweigert". Damit seien die Rechte der Parlamentarier verletzt worden.

Konkret ging es in dem Organstreitverfahren der Fraktion der Grünen und ihrer Abgeordneter Volker Beck, Irmingard Schewe-Gerigk, Jerzy Montag und Josef Winkler um Auskunft auf die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Bundesnachrichtendienst (BND) und die Geheimdienste der Länder Informationen über Mitglieder des Bundestags sammeln. Die Bundesregierung lehnte die Antworten größtenteils mit dem Hinweis darauf ab, dass sie sich zur Arbeitsweise, Strategie und dem Erkenntnisstand der Nachrichtendienste des Bundes aufgrund der Geheimhaltungsbedürftigkeit grundsätzlich nur in den dafür vorgesehenen besonderen Gremien des Parlaments äußere. Sie verwies damit auf das PKG und den Ältestenrat.

Einen vergleichbaren Bescheid erhalten Abgeordnete immer wieder bei Fragen rund um Tätigkeiten der Geheimdienste. So hielt sich die Bundesregierung beispielsweise jüngst zu Spekulationen über heimliche Online-Durchsuchungen durch den Verfassungsschutz bedeckt. Karlsruhe stellte nun klar, dass das PKG allein ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle der Regierung sei. Diese hebe die Informationsrechte von Abgeordneten nicht auf. Das parlamentarische Fragerecht werde auch nicht durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses oder die Befassung des Ältestenrates mit diesen Fragestellungen verdrängt.

Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass der Bundestag seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrnehmen kann, schreiben die Verfassungsrichter. Abgesehen von Fällen "evidenter Geheimhaltungsbedürftigkeit" könne das Parlament nur anhand einer ausführlichen Begründung entscheiden, ob es die Verweigerung der Antwort akzeptiert. In dem speziellen Fall sei nicht ersichtlich, dass die Regierung durch Beantwortung der Fragen Einzelheiten zu geheimdienstlichen Tätigkeiten offenlegen würde, die deren Arbeitsfähigkeit gefährde. Die nachrichtendienstliche Beobachtung von Abgeordneten könne ihre Unabhängigkeit gefährden. Eine Auskunftsverweigerung müsse daher zumindest besonders begründet werden.

Die Bundesregierung wird künftig die Antwort auf parlamentarische Anfragen auch nicht mehr allein mit dem Argument ablehnen dürfen, dass es sich um Angelegenheiten der Bundesländer handle. Sie sei zu einer eingehenden Begründung aufgrund der Fragestellungen verpflichtet gewesen, weil sie auch auf den Verantwortungsbereich der Bundesregierung betrafen, heißt es in der Karlsruher Entscheidung. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast begrüßte den Richterspruch, mit dem "der Entdemokratisierung Einhalt geboten" werde. Die große Koalition dürfe das Land nicht aus "Hinterzimmern" regieren. (Stefan Krempl) / (anw)