IETF befasst sich mit Netzneutralität

Während ihres Treffens in Stockholm haben Experten der Internet Engineering Task Force Gedanken über technische Lösung ausgetauscht, mit denen Netzneutralität gewährleistet werden könnten.

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Von
  • Monika Ermert

Die Standardisierungsorganisation Internet Engineering Task Force (IETF) hat sich auf ihrem 75. Treffen in Stockholm im technischen Plenum des Internet Architecture Board (IAB) erstmals eingehend dem Thema Netzneutralität befasst. Mark Handley, Computerwissenschaftler am University College London meinte (PDF-Datei), die Organisation müsse nach Lösungen suchen, um allgegenwärtige Deep Packet Inspection (DPI) oder schlechte Regulierung zu verhindern, die Innovation entgegenstehen könnten.

Das Ausspähen der Pakete per DPI – das in zum Beispiel in Großbritannien, in den USA und Deutschland auf dem Vormarsch sei – löse nach Ansicht von Handley einen Teufelskreis aus: Weil Provider oder Internet-TV die Jagd nach freier Kapazität gegen den P2P-Verkehr in Hintertreffen gerieten, würden mittels DPI die P2P-Daten geortet und ausgebremst. Das führe im Gegenzug dazu, dass der P2P-Verkehr "Port-agiler, verschlüsselt oder verschleiert" werde, woraufhin die Netzwerkbetreiber bekannte Pakete privilegierten. Das sei ein völlig falscher Weg.

Die IETF habe den Providern nicht die richtigen Werkzeuge gegeben, um Kosten und Einkünfte innerhalb der Internetarchitektur aufeinander abzubilden, meint Handley. Es gebe aber in der IETF Ansätze, mit denen die Entwickler die Netzneutralititätsdebatte entschärfen könnten, zum Beispiel das Protokoll re-ECN, mit dem Informationen zu Engpässen im Netz auf dem gesamten Weg des Pakets dokumentiert werden können. Einen positiven Beitrag gegen die Überlastung der Netze könne etwa die in Stockholm gestartete Arbeit an "Multipath TCP" (PDF-Datei) leisten, bei dem der Datenverkehr gleichzeitig über mehrere Routen geleitet werde und dadurch überlastete Routen entlastet werden könnten.

Netzneutralitätsexpertin Barbara van Schewick von der Stanford Law School empfahl (PDF-Datei) den Entwicklern, bei der Erarbeitung der Standards die Wahlfreiheit der Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Auch dafür fehlten im Standardpool der Organisation noch die Werkzeuge. Die Technik ermögliche heute Providern, Applikationen und Inhalte zu kontrollieren. "Diese Entwicklung führt potenziell zu einer Machtverschiebung vom Nutzer hin zum Netzprovider", sagte van Schewick gegenüber heise online.

Ted Hardie, Mitglied des Board of Trustee der Internet Society (ISOC) und Forschungsexperte bei Qualcomm, erinnerte die IETF in einem persönlichen Statement an die Debatte über Standards für das Abhören im Netz, die von Strafverfolgern verlangt wurden. Die IETF habe sich damals im (RFC 2804) klar "für die Freiheit" entschieden. Es gebe daher auch keinen Grund, die Spezialinteressen derer zu bedienen, die das Netz aus Profitgründen kontrollieren wollten. Hardie plädierte dafür, dass die IETF Standards nicht machen solle für jene, "die Pakete weiterschieben", sondern für jene, "die den Datenstrom initiieren". (Monika Ermert) / (anw)