Haben Sie Raspis von denen Sie nichts wissen? Pi-CM in Synthesizern von Korg

Korg verwendet ein Raspberry Pi Compute Module 3 in seinen aktuellen Synthesizern und folgt damit vielleicht einem allgemeinen Trend.

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Raspberry Pi Computer schaut hinter einem Korg Opsix Synthesizer vor
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Carsten Wartmann

Ich bin Maker von Beruf und aus Berufung, und so tummeln sich hier einige Raspberry Pi: Die alte 1B-Version überwacht und protokolliert meine Heizung, die 2B-Version stellt einen internen Webserver und Octoprint-Server bereit, ein 3B-Raspi spielt in meinem Bartop-Arcade und ein 4B ist Dockerserver für Minetest sowie eine Multi-Retro-Spielkonsole am TV. Auch in diversen Hutschienen- und Industriecomputern kleinerer Hersteller sind sie immer häufiger zu finden. In größeren Stückzahlen werden dann nicht mehr die kompletten Raspis verwendet, sondern eines der steckbaren Compute Module (CM), das dann nur mit der tatsächlich benötigten Hardware bestückt wird. In industriellen Anwendungen wäre vor allem die SD-Karte eine zu große Fehlerquelle.

Ich hätte aber keinen Raspi erwartet, als ich neugierig einen neuen Korg-Synthesizer aufschraubte und darin ein Compute Module 3+ fand. Ich besitze einige, auch analoge Synthesizer, die von einem Mikrocontroller gesteuert werden, aber auch rein digitale Synthesizer. Darunter etwa den Electrotechnique TSynth, einen 12-stimmigen, polyfonen Open-Source-Synthesizer, der vollständig auf einem Teensy 4.1 basiert. Die Rechenleistung eines solchen Mikrocontrollers reicht aus, um eine durchaus gelungene Simulation eines analogen Synthesizers, wie er in den 70er-Jahren mit Roland oder Yamaha berühmt wurde, zu bieten.

Hallo Himbeere!

Der aufgeschraubte Synthesizer, der Korg Opsix, ist jedoch eine moderne (und sehr erweiterte) Version einer damals neuen Generation digitaler Synthesizer, die in den 80er-Jahren mit Yamahas DX1 ihren Anfang nahm. Neben der reinen Klangerzeugung (zu der auch Oszillatoren, Hüllkurven, LFOs und Filter gehören) wird der Prozessor hier auch für das ganze "Drumherum" genutzt: von der Verwaltung der Sounds und Einstellungen über Arpeggiator, Sequenzer, MIDI, Abfrage aller Bedienelemente bis hin zur Anzeige von Wellenformen und Parametern auf einem Display. Und Korg versteht etwas von digitalen Synthesizern: Die erste digitale Workstation M1 war fast so erfolgreich wie der bis heute allgegenwärtige Yamaha DX7 (gibt es auch kompatibel für den Raspi).

Die Produktlinien von Wavestate (Sample-basiert), Opsix (FM-Synthese) und Modwave (Wavetables) sollten moderne Synthesizer-Technologie erschwinglich machen (zum Erscheinungsdatum unter 1000 US-Dollar) und sich mit "nativen" Plug-ins nahtlos und ohne Hardware in die Musikproduktion am Computer integrieren lassen. Dazu muss die Synthesizer-Engine sowohl auf der Hardware als auch in der Digital Audio Workstation (DAW) auf dem PC oder Mac laufen. Man baut also PC-Hardware in den Synthesizer ein, verwendet für die Plug-ins den gleichen Quellcode und übersetzt ihn auf dem PC in den für den jeweiligen Prozessor benötigten Code: Jetzt sollte der Klang der Patches auf dem Synthesizer und in der DAW gleich sein. Korg hatte in der Vergangenheit schon viele Prozessoren, sei es von Intel, ARM oder Eigenentwicklungen, in seinen Produkten verbaut, nun wurde ein Compute Module der Raspberry Pi Foundation verwendet. Die Entwickler fanden laut Korg eine komplette Entwicklungsumgebung vor und konnten sich so hauptsächlich auf die restliche Hardware des Instruments konzentrieren.

Korg Opsix mit Raspberry Pi (8 Bilder)

Ende 2020 wird das erste Gerät, der Korg Wavestate, vorgestellt, dann der Opsix und 2021 der Modwave. Alle drei Synthesizer sehen sich sehr ähnlich, nur das Bedienfeld ist anders und auf der Hauptplatine wird es wohl nur wenige Anpassungen geben. Es gibt einen kreisrunden Ausschnitt, der herausgebrochen werden kann, und eine unbestückte Audiobuchse, die eventuell für weitere Geräte gedacht ist: Die drei verfügbaren Geräte unterscheiden sich jedenfalls nicht in ihren Anschlüssen. Laut Raspberry Pi Foundation soll das CM3 noch bis 2026 unterstützt werden, ob es bis dahin schon neuere Synths mit "Raspi Inside" von Korg oder eine andere Technologie gibt, darüber darf spekuliert werden.

In der Synthesizer-Community wird natürlich heftig diskutiert und geforscht, ob man nicht irgendwie die Firmware des Moduls auslesen und vielleicht auch den einen oder anderen nützlichen Hack durchführen kann. Der eine oder andere denkt vielleicht auch darüber nach, die Synthesizer-Engine auf einem normalen Raspi laufen zu lassen. Es gibt ein Github von Korg, wo natürlich nur die Quellen der Open Source Komponenten verfügbar sind. Auch andere Hersteller bauen ähnliche Lösungen, wie etwa Akai mit seiner MPC Live, hier wird ein Rockchip-SOC und USB-Audio verwendet und das System wurde bereits gehackt, dank UART-Header und fehlendem Passwort. Das ist natürlich spannend, aber es gibt genug Projekte, die aus einem Raspi einen Synth machen oder eine komplette Music-Workstation und diese waren auch deutlich schneller "auf dem Markt" als Korg.

(caw)