Anonymous vs. Scientology: Unterwanderungsversuche [Update]

Auf der achten weltweiten Anonymous-Demonstrationswelle versuchten Scientologen angeblich, sich unter die Aktivisten zu mogeln.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 138 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Gerald Himmelein

Am Samstag fand die achte weltweite Demonstrationswelle der Internet-Bewegung Anonymous gegen die umstrittene Scientology-Organisation statt. Anonymous ist eine dezentrale Gruppe, die ihre Aktionen im Internet über Wikis, Web-Foren und Chat-Räume koordiniert. Die globale Gruppe hat keine Führer und keine festen Mitglieder, Entscheidungen entstehen im Konsens. Gegen Scientology wendete sich Anonymous erstmals Ende Januar; die Aktivisten werfen der Organisation die systematische Unterdrückung unliebsamer Meinungsäußerungen und Undercover-Operationen vor.

Die friedlichen Kundgebungen begannen am 10. Februar und werden seitdem im Monatsrhythmus fortgesetzt. Bisheriger Höhepunkt war die März-Demonstration, zu der weltweit über 9000 Anonyme vor den lokalen Scientology-Niederlassungen zusammenfanden. Von den Zahlen her ist die Aktivistengruppe seitdem stark zusammengeschmolzen. Zur achten Kundgebungswelle versammelten sich in 78 Städten etwas über 1000 Demonstranten.

Anonymous vs. Scientology: Unterwanderungsversuche (8 Bilder)

Die meisten Demonstranten trugen abermals die für Anonymous typischen V-Masken.

In diesem Monat liefen die Kundgebungen unter dem Motto "School's Closed", eine Anspielung auf die umstrittenen Nachhilfeangebote von Scientology-Unterorganisationen wie Applied Scholastics. In Deutschland fanden Kundgebungen in sieben Städten statt: Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart. Weltweit war abermals ein leichter Knick in den Teilnehmerzahlen zu beobachten; in Deutschland gingen in diesem Monat hingegen mehr Anonyme auf die Straße als im August.

Der dramatischste Teilnehmerverlust war in London zu beobachten. Kamen im März noch über 700 Demonstranten zusammen, waren es im August nur 150 – und am 13. September gerade noch zwischen 50 und 75. In mehreren US-Städten fielen die Demonstrationen aufgrund von Sturmwarnungen aus.

Die sinkenden Teilnehmerzahlen scheinen weder für Anonymous noch deren Gegner eine große Rolle zu spielen. Die Aktivisten verlagern sich in wachsendem Maße auf "Flash-Raids". So nennt Anonymous überfallartige Minidemos in unmittelbarer Nähe von Dianetik-Ständen. Dort bieten Scientologen Passanten "Stresstests" an, die meist darauf hinauslaufen, dass Scientology-Kurse helfen könnten.

Scientology reagiert auf die Demonstranten mit Propaganda-Flugblättern und Unterwanderungsversuchen. In Los Angeles mischten sich in diesem Monat Gegendemonstranten mit Hakenkreuz-Schildern unter die Anonymen. Die Aktivisten gehen davon aus, dass Scientologen an einer "Dokumentation" über die Bewegung arbeiten und dafür kompromittierendes Material benötigen.

In mehreren Städten verteilten Scientology-Mitarbeiter eine leicht überarbeitete Form der erstmals im März erschienenen Video-DVD "Anonymous: Hate Crimes". Der Kurzfilm denunziert die Bewegung als Internet-Terroristen, die Scientology mit Bombendrohungen, Mail-Lawinen und Website-Angriffen überschütten. Die friedlichen weltweiten Demonstrationen finden in diesem Video keine Erwähnung. In Deutschland verteilten Scientology-Mitarbeiter die DVD mit dem Aufdruck "Anonymus – Hassverbrechen" [sic].

Der nächste Demonstrationstermin steht noch nicht fest; derzeit pendeln die Koordinatoren im Anonymous-Diskussionsforum "Enturbulation" noch zwischen dem 11. und 18. Oktober. [Update] Inzwischen wurde der 18. Oktober 2008 als Termin für die nächste Protestwelle von Anonymous gegen Scientology beschlossen.[/Update] (ghi)