German Lab forscht am Internet der zweiten Generation

Unter dem Dach des German LAB erproben deutsche Forscher neue Protokolle und Mechanismen für ein Internet 2.0. Viele der vom Bund geförderten Projekte setzen dabei auf radikale Lösungen jenseits von IP, TCP oder klassischem Routing.

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Von
  • Monika Ermert

Im heute an der Technischen Universität Kaiserslautern vorgestellten German Lab (G-Lab) suchen Forscher nach neuen Ideen für das Internet der Zukunft. Das gute alte Internet Protocol (IP) gehört für sie zum Establishment. "IP wird Mainstream, deshalb braucht man etwas Disruptives", sagt der Würzburger Informatiker Tran-Gia Phuoc. Er ist einer der Koordinatoren des Projekts, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis zum Jahr 2012 mit 12 Millionen Euro gefördert wird. Allerdings vermag vorerst noch niemand zu sagen, wo die Reise mit dem Internet 2.0 hingeht.

Ein Testnetz soll die Antworten liefern. An den Technischen Universitäten Würzburg, Kaiserslautern, München, Karlsruhe, Darmstadt und Berlin warten 170 dedizierte Netzknoten auf "neuartigen Datenverkehr". Die Ideen für die Signalisierung, die Adressierung und das Routing werden Anfang kommender Woche bei der EuroView Konferenz in Würzburg präsentiert.

Im Prinzip erlaubt das seit Oktober vergangenen Jahres aufgebaute G-Lab-Testnetz der sechs Universitäten auch Clean-Slate-Ansätze, also die Lösung von IP oder dem Transportprotokoll TCP, sagt Tran-Gia. TCP und IP sind nach Ansicht der Forscher vielen neuen Aufgaben nicht mehr gewachsen: Höhere Anforderungen an die Sicherheit, die zunehmende Mobilität, ein flexibleres Routing und bessere Ausfallsicherheit könnten nicht mehr abgedeckt werden. Ob Revolution oder Evolution? Ganz ohne TCP/IP räumen die Bilderstürmer ein, geht es nicht.

Das Netz leide jedoch unter einer "Verknöcherung", meint die G-Lab-Projektpartnerin und Deutsche T-Lab-Lehrstuhlinhaberin an der TU Berlin Anja Feldmann. "In den letzten Jahren haben es nur noch wenige Neuerungen ins Kernnetz geschafft", sagt sie. Das G-Lab-Projekt und die bereits laufenden Projekte auf EU- und internationaler Ebene erlauben endlich Entwicklungen, die sich nicht von vornherein an der Verträglichkeit mit der bestehenden Netz-Architektur messen lassen müssen.

Man könne beispielsweise darüber nachdenken, ob ein auf Computerspiele zugeschnittenes Transportprotokoll anstatt auf Zuverlässigkeit und Neuübertragung (Retransmission) auf kurze Delay-Zeiten optimiert werden kann. Feldmann forscht unter anderem an Möglichkeiten, solche unterschiedlichen Anforderungen per Virtualisierung zu realisieren. Die verschiedenen Projektpartnern wollen auch das Problem wachsender Routing-Tabellen betrachten, das bereits durch die Internet Engineering Task Force benannte wurde. Laut BMBF sollen ab 1. September 2009 insgesamt neun Projekte im G-Lab die "Revolution" erproben. Mit im Boot sind weitere elf Universitäten, vier mittelständische und sechs große Unternehmen.

Einer der heißen Kandidaten ist das Projekt "Forwarding on Gates (FOG)" der Technischen Hochschule Ilmenau. Laut dem Informatiker Thomas Volkert steht hinter FOG die zentrale Idee, die Anzahl der Eingriffe beim Netzwerkmanagement drastisch zu reduzieren, "Netzfunktionen zu abstrahieren und in einzelne Funktionsblöcke zu separieren". Man will erreichen, dass neue Netzwerkteilnehmer bei der Anmeldung automatisch die korrekte Route erhalten anstatt eine Standardroute konfigurieren zu müssen: Plug-and-Play fürs Netzwerkmanagement. IP-Adressen sollen dabei nicht mehr zwangsläufig die Netzwerkknoten adressieren. Der von Volkert gelobte Vorteil des G-Lab im Vergleich zu anderen Internet-2.0-Testnetzen: in den installierten Generic-Route-Encapsulation-Tunneln könne man IP durch andere Netzwerkprotokolle ersetzen.

Weder das BMBF noch die Koordinatoren das G-Lab wollen das Forschungsprojekt als nationalen Alleingang verstanden wissen. Sie betonen vielmehr die engen Verbindungen zu den in den USA laufenden GENI- und Planet-Lab-Projekten, zum japanischen Pendant AKARI und zu EU-Versuchen wie FIRE. Aus allen Regionen wurden Vertreter in den Beirat des G-Lab berufen, man schaut sich gegenseitig gern in den Suppentopf. Vertreter dieser Projekte berichten übrigens auch auf der EuroView und diskutieren dabei sensible Fragen wie die, ob man sich beim neuen Internet auch gleich vom Ende-zu-Ende-Prinzip verabschieden solle. Allein den anderen will man die Suche nach einem möglichen Erben des Internet nicht mehr überlassen. (Monika Ermert) / (rek)