25 Jahre Ultima Online: Willkommen im ältesten Teil des Metaversums
Ultima Online wurde gerade 25 Jahre alt – und zeigt, wie schwer es ist, gut funktionierende virtuelle Welten zu schaffen.
- John-Clark Levin
Wenn das Metaversum heute in den Schlagzeilen ist, liest man von einem Traum, der erst noch aufgebaut werden muss. Doch wenn man es als ein Netzwerk virtueller Welten begreift, in die wir quasi einziehen können, dann ist das älteste existierende Vorbild bereits seit 25 Jahren bewohnt. Es handelt sich dabei um ein mittelalterliches Fantasy-Königreich, das für das Online-Rollenspiel namens "Ultima Online" geschaffen wurde – und es hat inzwischen ein Vierteljahrhundert voller Marktumbrüche, Wettbewerber, wirtschaftlicher Turbulenzen und politischer Auseinandersetzungen überstanden. Was kann uns dieses Spiel und seine Spieler über die Gestaltung der virtuellen Welten der Zukunft sagen?
Ultima Online – UO für seine Fans – war nicht das erste Online-Fantasiespiel. Bereits 1980 konnte man "Multi-User-Dungeons" (MUDs) textbasierte Rollenspielabenteuer erleben, die auf Universitätsrechnern liefen und über den Internet-Vorvater Arpanet verbunden waren. Mit der Geburt des World Wide Web im Jahr 1991 folgten eine Handvoll grafischer Nachfolger wie "Kingdom of Drakkar" oder "Neverwinter Nights", die es Dutzenden oder Hunderten von Spielern gleichzeitig ermöglichten, in einem gemeinsamen digitalen Raum zusammen Monster zu erlegen. 1996 wurde dann das "Massively Multiplayer"-Genre geboren, Titel wie "Baram" oder "Meridian 59" zogen Zehntausende von zahlenden Abonnenten an.
1997 veränderte Ultima die Branche schließlich mit einem revolutionären Ziel: der Simulation einer ganzen Welt. Anstelle kleiner, statischer Umgebungen, die hauptsächlich als Kulisse für Kämpfe dienten, bot UO eine riesige, dynamische Fantasy-Erde, in der die Spieler mit fast allem interagieren konnten. Man konnte beispielsweise Früchte von den Bäumen pflücken oder Bücher aus den Regalen nehmen und tatsächlich lesen. Im Gegensatz zu früheren Spielen, in denen eigentlich jeder ein heldenhafter Ritter oder Zauberer war, gab es in Ultima Online eine Gesellschaft – die Spieler schlüpften in die Rollen von Bäckern, Bettlern, Schmieden, Piraten oder Politikern.
Eigene Mini-Dimensionen in Ultima Online
Am wichtigsten war vielleicht, dass UO die Leute wirklich dort "leben" ließ. In den meisten früheren Spielen hielten sich die Spieler in Gebieten auf, während sie eingeloggt waren, hatten aber keine dauerhafte Präsenz, wenn sie offline waren. Eines davon, Furcadia, erlaubte es den Spielern noch, eigene Mini-Dimensionen zu erstellen, die vorübergehend zu einem gemeinsamen Raum verbunden waren. Aber in UO blieben die Dinge, die die Spieler bauten, für andere Spieler zugänglich, auch wenn der Gamer, der sie gebaut hatte, sich abmeldete. Die Spieler konnten überall dort, wo es offenes Land gab, permanente Hütten oder sogar Schlösser errichten und sie nach Belieben dekorieren. Sie konnten auch Stadtverwaltungen gründen oder einfach Freunde einladen, um sich bei virtuellem Bier und Hammelfleisch zu unterhalten. Kurz gesagt: es versprach ein echter, lebendiger Ort zu werden.
Diese große Vision spiegelte den Hintergrund des Entwicklerteams von Origin Systems wider. Richard Garriott, der Gründer des Unternehmens, hatte fast zwei Jahrzehnte damit verbracht, eine Reihe von Ultima-Spielen für Einzelspieler zu entwickeln, in denen die Freiheit des Spielers und komplexe moralische Entscheidungen immer wichtiger wurden. Der Chefdesigner von UO, Raph Koster, und die meisten seiner Hauptprogrammierer hatten ihre ersten Erfahrungen selbst mit textbasierten MUDs gemacht, bei denen das Fehlen rechenintensiver Grafiken es den Rechnern ermöglichte, sich auf eine tiefere quantitative Modellierung zu konzentrieren, als dies bei anderen Spielen möglich war. Ein großer Kreis von MUD-Fans hatte jahrelang mit komplexen Simulationen von Dingen wie Landwirtschaft, Wetter und Kräutermedizin experimentiert.
Koster und seine Frau Kristen (ebenfalls eine Origin-Designerin) brannten darauf, solche Ideen in großem Maßstab umzusetzen. Sie entwickelten ein ausgeklügeltes Ressourcen-Ökosystem, das die Spielwelt von Ultima Online zum Leben erwecken sollte. Auf den Feldern würde Gras wachsen. Pflanzenfresser würden das Gras fressen. Fleischfresser würden die Pflanzenfresser jagen. Anstatt nur herumzusitzen und darauf zu warten, von Abenteurern getötet zu werden, würden die Drachen versuchen, so etwas wie die Maslowsche Bedürfnishierarchie zu befriedigen – zuerst Nahrung, dann Unterbringung und schließlich die Lust auf glänzende Schätze. Dies konnte ein wirklich erfinderisches Denken fördern. Anstatt plündernde Monster zu töten, um eine friedliche Stadt zu schützen, konnten die Spieler schmackhafte Hirsche in ihre Richtung treiben. In den Alphatests funktionierte dies gut. Das Team hatte das Gefühl, dass diese Ideen und die leistungsstarke Simulation dem Spieler eine erhebliche Kontrolle über den Spielablauf geben würden.
Zusammenbruch im Betatest
Der öffentliche Betatest wurde dann aber zu einem bösen Erwachen. Noch nie dagewesene 50.000 Menschen zahlten jeweils 5 Dollar für einen frühen Zugang zum Spiel – und überfielen die virtuelle Welt wie eine Heuschreckenplage. Sie töteten alles, was in Sicht war. Die Kaninchen lebten nicht lange genug, um von den Wölfen gejagt zu werden. Die Drachen wurden erschlagen, lange bevor jemand über ihre Motive nachdachte. Es war ein virtuell ökologischer Zusammenbruch. Und da die Server unter der Last der Hintergrundprozesse ächzten, die unbemerkt abliefen, riss das Team widerwillig das gesamte System wieder ab. Wie um den Kontrollverlust der Entwickler zu unterstreichen, ermordete ein Spieler gegen Ende der Beta-Version den König selbst – Richard Garriotts Avatar, Lord British.
Als das Spiel im September '97 dann in vollem Umfang veröffentlicht wurde, ergoss sich eine Flutwelle von Spielern durch das Königreich Britannia, klickten auf alles, was sie klicken konnten und nutzten die Spielmechanik auf eine Weise, die die Origin-Programmierer nie erwartet hatten. Bald stellte eine Gruppe mörderischer Tischler fest, dass Holzmöbel die Bewegung anderer Charaktere blockieren konnten. Sie verbarrikadierten die Tore einer großen Stadt mit Hunderten von Tischen und Schränken und überfielen jeden, der zu entkommen versuchte. Die Opfer wandten sich an Origin. Raph Koster drängte auf eine Lösung, die stärker auf Simulation ausgerichtet war. Im Eiltempo wurde dann ein Patch veröffentlicht, der es den Spielern ermöglichte, das Problem selbst zu lösen: Äxte konnten nun verwendet werden, um Möbel zu zerhacken.
Anderes User-Fehlverhalten zielte auf Schwachstellen in der Spiel-Engine selbst, die viel schwieriger zu beheben waren. Gerissene Bösewichte verschachtelten Tausende von Objekten an einem Ort, um "schwarze Löcher" zu erzeugen, die das Spiel zum Absturz brachten. Einige nutzten das Fehlen eines Schwerkraftsystems in UO aus, um auf Stühlen in die Häuser von Rivalen zu schweben und sie auszuplündern.