"Pille" für den Mann: Neuer Wirkstoff macht Mausböcke 2,5 Stunden unfruchtbar

Forscher arbeitet an einer Antibabypille für Männer, die Spermien vorübergehend immobilisiert. Bei Nagern hat eine Dosis 2,5 Stunden gut gewirkt.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 76 Kommentare lesen

Da schwimmt das Spermium noch.

(Bild: Ciencias Españolas / CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Ein Wirkstoff, der kurzfristig eingenommen wird, sorgt bei Mausmännchen vorübergehend für Unfruchtbarkeit. Er unterbindet die Beweglichkeit der Nager-Spermien, die nach der Ejakulation nicht mehr in die Eizelle eindringen. Das berichtet ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam im Fachjournal Nature Communications. Bestätigen sich die Ergebnisse aus den Mausversuchen auch beim Menschen, könnte das Mittel in Pillenform zur ersten echten Antibabypille für Männer werden.

Der Wirkstoff trägt den vorläufigen Namen TDI-11861 und hemmt das Enzym lösliche Adenylylcyclase (soluble AC, kurz sAC). Das kann seine Arbeit nicht mehr tun, nämlich einen Botenstoffs zu produzieren, der auch für die Beweglichkeit von Spermien wichtig ist: cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat). Hemmt man das Enzym also, hindert man ejakulierte Spermien an der Fortbewegung. Sie können dann die Eizelle nicht erreichen und ihre Membran nicht durchdringen.

"Wir knocken sie sozusagen kurzfristig aus", sagt Clemens Steegborn von der Universität Bayreuth, der die Enzymhemmer seit Jahren erforscht und an der Publikation beteiligt war. Das sei der große Vorteil der Methode gegenüber bisherigen Versuchen, die männliche Fertilität zu unterbinden. "Wir geben den Wirkstoff nur, wenn es wirklich nötig ist", erklärt der Forscher. Bei den Mäusen wirkte TDI-11861 schnell und insgesamt nur wenige Stunden lang. Zudem verhindert er die Ejakulation nicht.

Viele der bisherigen Versuche zielten darauf ab, die Spermienproduktion gänzlich zu verhindern. Das geht aber nicht besonders schnell, das Herunterfahren dauert mehrere Wochen. Solange muss der Wirkstoff eingenommen werden. Soll die Wirkung dann wieder aufgehoben werden, reicht es nicht, den Hemmstoff einfach abzusetzen. Es dauert dann ebenfalls mehrere Wochen, bis der Körper die Spermienproduktion wieder ausreichend hochgefahren hat.

Dagegen lag die empfängnisverhütende Wirkung in den Mausversuchen schon nach einer einzigen Dosis von TDI-11861 für zweieinhalb Stunden bei 100 Prozent. Drei Stunden nach der Gabe begannen einige Spermien wieder beweglich zu werden. Dennoch lag die empfängnisverhütende Wirkung in den dreieinhalb Stunden nach der Injektion immer noch bei 91 Prozent. 24 Stunden nach der Injektion war die normale Beweglichkeit und damit die Fruchtbarkeit der Spermien wiederhergestellt.

In den Mausversuchen verabreichten die Forscher das Verhütungsmittel per Injektion und auch direkt in den Rachen der Tiere. Für die klinischen Versuche am Menschen arbeiten die Wissenschaftler an einer Tablettenform ihres Mittels. Dafür sind noch letzte Anpassungen nötig an dem Wirkstoff nötig, sagt Steegborn, weil sich das besonders gut wirksame Mittel TDI-11861 nicht in ausreichender Menge im Körper anreichert. Die sich gut anreichernden Substanzen, die bisher entwickelt wurden, wiederum wirken nicht gut genug. "Wir wollen die Vorteile vereinen. Das wäre dann das Molekül, mit dem wir dann hoffentlich in die Klinik kommen", so Steegborn weiter.

Wie die Forscher schreiben, zeigten die männlichen Mäuse während der sechs Wochen, in denen ihnen TDI-11861 verabreicht wurde, keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Laut Steegborn wurde bisher auch bei zwei Mäusemännern, die durch einen natürlichen sAC-Knockout unfruchtbar sind, keine anderen Probleme beobachtet. Vor den klinischen Versuchen laufen derzeit noch Versuche mit dem Verhütungsmittelkandidaten bei Kaninchen.

Es heiße manchmal, die Pille für den Mann scheitere daran, dass die Männer sie nicht wollen. "Das ist völliger Unsinn. Die Marktstudien zeigen, das wäre ein wahnsinnig gefragtes Produkt", sagt Steegborn.

(vsz)