Meeresphysiker und IOW-Chef: "Die Ostsee steht unter Stress"

Die Ostsee ist ein sensibles Meer. Anders als große Ozeane ist sie ein fast geschlossenes Ökosystem. Meeresforscher haben Sorge, sind aber nicht ohne Hoffnung.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 15 Kommentare lesen

(Bild: Svetlana Turchenick/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • dpa

Übermäßige Nährstoffeinträge, Klimawandel, Meereserwärmung, rückläufige Seeeisbildung, starker Schiffsverkehr – die Ostsee ist vielen negativen Einflüssen ausgesetzt. "Die Ostsee steht eindeutig unter Stress", sagt der Meeresphysiker Oliver Zielinski zur aktuellen Situation. "Auch aus der langfristigen Perspektive geht es der Ostsee deutlich schlechter als am Anfang des letzten Jahrhunderts, also vor 120 Jahren. Trüber, nährstoffreicher, wärmer, mehr unter Druck." Dennoch sieht der neue Direktor des Instituts für Ostseeforschung in Warnemünde (IOW) Grund für Zuversicht.

So stagniere etwa das Trüber-Werden der Ostsee seit Ende der 1980er-Jahre, wenn auch auf niedrigem Niveau. Das sei eine positive Folge gesellschaftlicher und politischer Maßnahmen. Es gebe mehr Abwasserkläranlagen, die Einleitung von Nährstoffen aus der Landwirtschaft und Waschmittel-Phosphaten sei verringert worden. "Das gibt mir Hoffnung, weil es zeigt, dass menschliche Veränderungen Wirkungen erzielen können."

Die Datenlage über die Ostsee ist nach Worten Zielinski zwar groß, aber nicht ausreichend. Das treffe vor allem auf das Online-Monitoring meeresbiologischer und -chemischer Prozesse zu. "Wir haben schon viele Informationen, aber die Datendichte ist immer noch gering." Die Gewinnung biologischer und chemischer Meeresdaten geschehe in der Regel noch über Wasserproben und Laboranalyse. Notwendig sei aber auch Online-Messtechnik, um minütliche oder sekündliche Daten etwa über Ereignisse wie Stürme oder Hitzewellen zu erhalten. "Da brauchen wir mehr Beobachtungsdaten."

"Wir müssen an den richtigen Orten und zur richtigen Zeit messen. Es ist illusorisch zu denken, dass wir die Ostsee zudecken können mit einem Messnetz", sagt Zielinski. Vielmehr gehe es darum, in Verbindung mit Modellsimulationen bestimmte Gebiete für effiziente und sinnvolle Messungen zu definieren. Der Wissenschaftler ist seit 1. März neuer IOW-Direktor und war zuvor Professor für Marine Sensorsysteme an der Universität Oldenburg. Dort gründete er am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) das Zentrum für Marine Sensorik.

An dem zur Leibniz-Gemeinschaft gehörenden Warnemünder Institut läuft derzeit als ein neuer Schwerpunkt die Erforschung küstennaher Flachwassergebiete ("Shallow Water Processes and Transitions to the Baltic Scale") an, die eine Wassertiefe von etwa 10 bis 15 Meter haben. "Das ist spannenderweise der Bereich, der wissenschaftlich schlecht erforscht ist", so der IOW-Chef.

Das Gebiet sei von Land her begrenzt zu erreichen, seeseitig gebe es bei Forschungsschiffen das Limit des Tiefgangs und auf Satellitenkarten würden die Küstenbereiche oft ausgepixelt. "Das Randgebiet ist ein bisschen wie unser blinder Fleck." Dabei habe dieses Gebiet für die Ostsee nahezu die gleiche Bedeutung wie die Einträge der Flüsse. Für den neuen Schwerpunkt stellt das IOW 15 neue Mitarbeiter, vor allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ein.

(bme)