KI-Entwicklung: Everything Everywhere All at Once - ein Kommentar

Die KI-Entwicklung schreitet rasant voran. Fast jede Stunde gibt es eine neue, große KI-Nachricht. Zeit zum Abwarten und Tee trinken, findet Marvin Strathmann.

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Es sind einfach zu viele KI-News.

(Bild: Erstellt mit Midjourney durch heise online/jom)

Lesezeit: 4 Min.

Wie fasst man am besten die KI-Entwicklungen der letzten Tage zusammen? Vielleicht so: Aaahhhhhhhhh! Denn was in dem Bereich in den letzten Tagen passiert ist, lässt einen fast schon atemlos zurück.

Im Schnelldurchlauf:

OpenAI hat GPT-4 veröffentlicht. GPT-4 steckt auch hinter dem Chat von Microsofts Suchmaschine Bing, der im Edge-Browser jetzt offen für alle ist. Microsoft will mit Copilot auch einen KI-Chat-Assistenten in alle Office-Anwendungen bringen.

Google hat seine PaLM-API für Entwickler geöffnet und neue KI-Funktionen für die Werkzeugsammlung Workspace angekündigt. Das KI-Startup Anthropic, an dem Google beteiligt ist, hat jetzt den KI-Chatbot Claude freigegeben. Vom KI-Bildgenerator Midjourney ist ein Alpha-Release für Version 5 verfügbar. Ein Team an der Uni Stanford hat den KI-Chatbot Alpaca 7B veröffentlicht, basierend auf LLaMA 7B, das ist das Sprachmodell des Facebook-Mutterkonzerns Meta. LLaMA lässt sich übrigens inoffiziell als Torrent herunterladen und lokal ausprobieren.

Ein Kommentar von Marvin Strathmann

Marvin Strathmann arbeitet als Redakteur für heise online. Zuvor hat er für Chip Online, Focus Online, Zeit Online und die Süddeutsche Zeitung über Digitales geschrieben.

Und das waren nur die großen Nachrichten. Was auch noch passiert ist: Deutsche Zeitungsverleger wollen sich gegen Crawler für KI wehren, Mozilla hat einen Wettbewerb für verantwortungsvolle KI gestartet, LinkedIn will KI nutzen, um etwa automatisch erstellte Profilzusammenfassungen zu generieren und OpenAI hat geprüft, ob GPT-4 die Welt übernehmen möchte (Spoiler: nö, kein Bock). Es gibt noch viele andere kleine Nachrichten, die irgendwas mit KI zu tun haben. Und es ist kaum möglich, sie alle aufzulisten, es sind einfach zu viele. Die Technik-Welt ertrinkt gerade in KI-News.

In dem aktuellen Nachrichtensturm treten die lautesten Marktschreier am deutlichsten hervor: KI wird diese oder jene Berufe vernichten, akademische Arbeiten und Examen wertlos machen und überhaupt unser ganzes Leben völlig umkrempeln. Am lächerlichsten ist natürlich das Bild mit all den Prüfungen, die GPT-4 nun hervorragend meistert – darunter etwa die Anwaltsprüfung in den USA.

Natürlich gewinnt hier die KI, sie mogelt. Sie schmuggelt unauffällig das halbe Internet in den Prüfungsraum und schaut heimlich, welche Wörter am besten zueinander und zum Fragenkontext passen. Und dann überrascht es Leute, dass die KI so gut abschneidet? Und wie würde wohl ein menschlicher angehender Anwalt mit unendlich Zeit und Zugang zu Google den Test meistern?

Also, was nun? Erstmal durchatmen, nen Tee aufsetzen. Und dann liest man einfach, was der Chef von OpenAI, Sam Altman, auf Twitter zu GPT-4 schreibt:

Er hält sein Produkt noch immer für fehlerhaft, begrenzt und mit jedem Einsatz weniger beeindruckend. Das ist eine erstaunlich nüchterne Beschreibung, die der oberste GPT-4-Verkäufer hier abgibt – natürlich bevor er die Vorteile des Modells aufzählt.

Aber so nüchtern sollte man auch als nicht-CEO mit all den KI-News umgehen. Die Sprachmodelle und Bildgeneratoren sind interessante Projekte und die großen Tech-Unternehmen liefern sich mit ihren Ressourcen ein wirklich spannendes Wettrennen um die Vorherrschaft im KI-Bereich. Wer Spaß daran hat, kann dieses Rennen mit jeder News detailliert verfolgen. Aber jedem Fitzelchen KI-Information hinterherzuhecheln und immer wieder die Weltrevolution auszurufen, wird schnell ermüdend und langweilig.

Vielleicht ist es besser, sich entspannt zurückzulehnen. Auch andere, kleinere Firmen werden immer mehr mit KI arbeiten – meist, weil sie über eine API auf die Modelle der großen zugreifen. Manche werden die KI verstecken, andere offensichtlich damit werben: Intel AI Inside. Aus der Revolution wird Evolution und aus dem aktuellen KI-Hype werden sehr nützliche Produkte und Dienstleistungen hervorgehen.

Am Ende werden Menschen von der KI profitieren. Und Menschen werden auch der KI hinterherräumen müssen. Leider gibt es kein Universum, in dem eine solche Technik keine Nebenwirkungen erzeugt.

(str)