"Wahrheitsmaschinen" formen das Bild des Krieges

Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zum Thema Medien und Krieg haben Wissenschaftler im Osnabrück über den Einfluss technischer Innovationen auf die Kriegsberichterstattung und die Rolle von Blogs und YouTube bei der Verbreitung von "Wahrheit" diskutiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 95 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Im Rahmen einer mehrmonatigen Veranstaltungsreihe zum Thema Medien und Krieg fand in Osnabrück jetzt ein wissenschaftlicher Kongress zu sogenannten Wahrheitsmaschinen statt. Versucht wurde dabei, die Rolle technischer Innovationen auf die Medienberichte vom Krieg zu ergründen. Neben historischen Abhandlungen wurde auch die Rolle von Blogs und YouTube bei der Verbreitung von "Wahrheit" erörtert.

Wie widersprüchlich Krieg erfahren und von den neuen Öffentlichkeiten transportiert wird, kann in Deutschland derzeit live verfolgt werden. Der Weblog Sicherheitspolitik fasst die Nachrichten zum "Tanklaster-Vorfall" zusammen, Blogger sehen in der Arbeit des Verteidigungsministeriums eine Ikone des Versagens, Berichte vom Schauplatz erscheinen auf YouTube. Mindestens drei "Wahrheiten" werden so transportiert, die der Bundeswehr, der NATO und der Taliban.

In ihrem Vortrag über die kriegsbegleitende Rolle von Blogs zeigte die Amerikanistin Johanna Roering anhand von US-amerikanischen Blogs wie Sgt. Stryker's Daily Brief, dass Blogger häufig in die Rolle von "Warrior-Citizen-Journalists" geraten, also in einer Parteinahme für die eigene Truppe oder auch deren Kombattanten enden. Das Resultat sind Newsblogs, die bestimmte Nachrichten verlinken und den Blogger zu einer Spielart des Embedded Journalist machen.

Die Rolle von YouTube bei der Produktion von Kriegsbildern untersuchen Fabian Virchow vom Marburger Zentrum für Konfliktforschung und Tanja Thomas vom Lüneburger Forschungszentrum für Medienkultur. Erste Ergebnisse aus der angelaufenen Arbeit: Videos wie Remeber me mit 27,5 Millionen Abrufen produzieren mit den Formen der Unterhaltung eine andere Form der Kriegsauseinandersetzung. Neu ist dies freilich nicht. Erinnert sei an das von AOL-Gründer Steve Case herausgebrachte Buch "Now You Know", nachdem über 400.000 Teilnehmer auf America Online ihre Reaktionen auf den Film Der Soldat James Ryan geschildert hatten.

Mit Computer-Kriegsspielen beschäftigte sich der unter dem Namen Wartist bloggende Martin Bayer vom Hamburger Institut für Friedensforschung. Nach einer Darstellung der historischen Entwicklung dieser Spiele von Blue Max (C64) bis hin zu Call of Duty und Velvet Assassin analysierte er auch die inhaltliche Entwicklung. Sein Fazit: "Kritische Inhalte kommen erst langsam auf." Bayer bedauerte, dass allein die Ego-Shooter in der öffentlichen Wahrnehmung auftauchen würden, obwohl sie nur auf einen Anteil von drei Prozent unter den Kriegsspielen kommen. Auch so können "Wahrheitsmaschinen" funktionieren. (Detlef Borchers) / (pmz)