Gemischte Reaktionen auf "Internet-Manifest"

Das gestern von einigen Leitfiguren veröffentlichte "Internet-Manifest" sorgt weltweit für Gesprächsstoff. In der deutschsprachigen Blogosphäre werden unterdessen auch kritische Stimmen an dem Thesenpapier laut.

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Von
  • dpa

Der Titel verspricht einen großen Wurf: "Internet- Manifest". Und zumindest über mangelnde Resonanz auf ihre "17 Behauptungen" darüber, "wie Journalismus heute funktioniert" können sich die 15 Autoren nicht beklagen. Sie verstehen ihren am Montag unter der Ortsmarke "Internet" veröffentlichten Text als Gegenentwurf zur "Hamburger Erklärung", in der über 160 Verleger Ende Juni einen besseren Schutz des geistigen Eigentums im Internet verlangt hatten.

Das Manifest wurde initiiert vom "Handelsblatt"-Journalist Thomas Knüwer und dem "elektrischen Reporter" Mario Sixtus. Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderen "Bildblog"-Gründer Stefan Niggemeier, Markus Beckedahl von netzpolitik.org und auch der Werber Sascha Lobo, der einen roten Irokesen-Haarschnitt zu seinem Markenzeichen entwickelt hat. "Wir mussten uns einfach zu Wort melden", sagte Niggemeier der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

In dem Manifest fordern die Journalisten und Blogger nun die Medien auf, "ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen". Dazu gehörten beispielsweise Verlinkungen auf Inhalte im Netz. "Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus. Das gilt auch für die Online-Auftritte klassischer Medienhäuser." Kein Verständnis haben die Manifest-Unterzeichner für eine mögliche Ausgrenzung von Google und Co., die Verlagsinhalte in kurzen Auszügen veröffentlichen, ohne dafür etwas zu zahlen: "Suchmaschinen und Aggregatoren fördern den Qualitätsjournalismus: Sie erhöhen langfristig die Auffindbarkeit von herausragenden Inhalten und sind so integraler Teil der neuen, vernetzten Öffentlichkeit."

Dabei stellen die Autoren die traditionelle Aufgabe von Journalisten, das Sichten, Bewerten und Filtern von Nachrichten, in Frage: "Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen."

Kurz nach der Veröffentlichung der Thesen meldeten sich zunächst massenhaft Befürworter des Manifests zu Wort. "Das Internet-Manifest unterstütze ich zu 100 Prozent", schrieb beispielsweise Claudia Sommer, die bei Greenpeace als Webmasterin und "Evangelist" für Soziale Medien arbeitet. Im Kurznachrichtendienst Twitter und in unzähligen Blogeinträgen verlinkten massenhaft Netzbewohner auf das Manifest. Selbst der bekannte US-Medienforscher Jeff Jarvis griff in Twitter die Thesen aus Germany auf. Kein Wunder, dass der Server des Manifestes schnell unter der Last der Anfrage zusammenbrach. Inzwischen läuft die Site wieder – doch im Netz melden sich nun immer mehr kritische Stimmen zu Wort.

Im Blog von Stefan Niggemeier stören sich manche Kommentatoren nicht nur an unfreiwillig komischen Formulierungen in dem Text ("zentraler Eckpfeiler"), sondern bemängeln auch eine fehlende Substanz des Papiers. "Ich fürchte, mit einem solchen halbgaren Thesenpapier macht man sich – pardon – eher lächerlich. Ich empfinde dies als kontraproduktiv", schreibt etwa Gregor Keuschnig.

Andere Kommentatoren kritisieren, dass Behauptungen zur Wirtschaftlichkeit des Online-Journalismus nicht belegt würden. In dem Manifest heißt es: "Mit journalistischen Inhalten lässt sich im Internet Geld verdienen. Dafür gibt es bereits heute viele Beispiele." Allerdings verzichten die Autoren dann darauf, solche Beispiele konkret aufzuführen. Außerdem vermuten manche Kritiker des Manifestes, dass sich hier nur eine geltungssüchtige Blogger-Runde in Szene setzen wollte.

"Die Heftigkeit der Kritik hat mich schon überrascht", sagt FAZ-Autor Stefan Niggemeier zu den über 200 Kommentaren, die die Leser seines Blogs hinterlassen haben. "Auf der Site des Manifests selber sind aber deutlich mehr positive Stimmen zu finden." Ziel sei es gewesen, eine Debatte zu entzünden. Dies sei zweifelsohne gelungen, auch wenn sich bislang kaum Verleger zu Wort gemeldet hätten. "Ich gehe aber schon davon aus, dass dies in den Verlagen aufmerksam zur Kenntnis genommen wird." (Christoph Dernbach, dpa) / (vbr)