100 Jahre Ammoniaksynthese

1909 meldeten Fritz Haber und Carl Bosch einen chemischen Prozess zum Patent an, der den Charakter von Krieg, Industrie, Landwirtschaft und Umwelt einschneidend veränderte.

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Am 14. September 1909 ließen die Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch beim Reichspatentamt ein Verfahren eintragen, das sich als eine der folgenreichsten Erfindungen der Menschheit herausstellen sollte: Die synthetische Produktion eines Gases, das eigentlich für den Gestank in ungepflegten Pissoirs verantwortlich ist. Haber war es zuvor gelungen, Ammoniak (NH3) künstlich herzustellen – ein ätzendes, giftiges und stark übelriechendes Gas, das in der Natur beim Abbau von Harnstoff entsteht. Zusammen mit Bosch entwickelte er die Ammoniaksynthese zu einem Industrieverfahren weiter, ohne dass die Bevölkerung im 20. Jahrhundert nicht in dem bekannten Ausmaß gewachsen wäre – sie ist Grundlage der "Grünen Revolution", schreibt Technology Review in einer ausführlichen Würdigung von Habers und Boschs Werk in seiner Online-Ausgabe.

Die Ammoniaksynthese hat die Landwirtschaft, die chemische Industrie und die gesamte Umwelt verändert. Der durch das Verfahren ermöglichte Stickstoffdünger wurde ein Pfeiler der landwirtschaftlichen Revolution des 20. Jahrhunderts. Bis dahin hatten Bauern nur wenige Möglichkeiten, den Stickstoff in ihren Böden zu erneuern. Möglichst alle biologischen Abfälle mussten zurück auf die Felder. Tiere, die in Wäldern und auf Weiden grasten und deren Mist und Gülle die Bauern auf die Äcker brachten, dienten als Stickstofftransporteure. All das war dank der Erfindung von Fritz Haber nun nicht mehr nötig. Regionen, die von der Agrartechnik des 20. Jahrhunderts erreicht wurden, steigerten ihre Flächenerträge mit Hilfe von Kunstdünger um das Zehnfache.

Der Name Fritz Haber ist nicht nur mit der Ammoniaksynthese eng verbunden. Als Leiter der Chemieabteilung in der Behörde für Kriegsrohstoffe war er – obgleich mit Pazifisten wie Albert Einstein befreundet und gegen den Widerstand seiner ersten Frau Clara – einer der Väter des deutschen Gaskriegs. Am 22. April 1915 beaufsichtigte er bei Ypern in Belgien den ersten Giftgasangriff des Ersten Weltkriegs. Das deutsche Heer versprühte Chlor, das in der chemischen Industrie in großen Mengen als Abfallstoff anfiel. Tausende französische und afrikanische Soldaten starben elend. Eine Woche später erschoss sich Habers Frau Clara.

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(bsc)