Flugdatenaffäre weitet sich aus

Seit fünf Tagen müssen die Fluggesellschaften dem US-Zoll Auskunft über ihre Passagierdaten geben. Der Innenausschuss des EU-Parlaments beschwert sich, er sei über die entsprechende Vereinbarung zwischen EU und den USA zu spät unterrichtet worden.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Heute hat der Innenausschuss des EU-Parlaments die umstrittene Vereinbarung zwischen der EU und den USA vom 18. Februar auf die Agenda gesetzt. Im Entschließungsantrag des Ausschussvorsitzenden heißt es, der Vereinbarung fehle es "an jeglicher gesetzlicher Basis". Sie könne von den nationalen Behörden als Aufforderung verstanden werden, das Gemeinschaftsrecht nicht einzuhalten. Auch habe die Kommission das Parlament zu spät über die immerhin 15 Monate andauernden Verhandlungen informiert. Ende Juni soll ein Gipfel zwischen EU und USA weitere Klärung bringen.

Seit dem 5. März sind alle Fluggesellschaften verpflichtet, den US-amerikanischen Zollbehörden Auskunft über ihre Passagierdaten zu geben. Verweigern sie diese, können US-Behörden ihnen das Landerecht entziehen. Im Gegenzug will die USA die Daten nach den Vorgaben der EG-Datenschutzrichtlinie behandeln. Die US-Amerikaner dürfen 15 Minuten nach Abflug auf die Passagierdaten zugreifen. Die Lufthansa gewährt dem US-Zoll Zugriff auf ihre Reservierungs- und Check-in-Systeme. Die Miles-and-More-Datenbank ist vom US-Zugriff allerdings ausgenommen. Ebenso kann der US-Zoll auf das europäische Buchungssytem Amadeus zugreifen, das neben Kreditkartennummern und individuellen Essenswünschen auch die Buchungshistorie speichert. Damit können die US-Behörden auch Transferflüge im Inland abrufen.

Bis August wollen die europäischen Fluggesellschaften einen einheitlichen Datenabruf erarbeiten. Für die Lufthansa, die den US-Behörden die Daten nicht nach Identitäts- und Flugdaten ausgefiltert zur Verfügung stellen kann, war "der Prozess zu kurzfristig", wie ihr Sprecher Bernd Hoffmann heise online sagte.

Das US-Modell scheint Schule zu machen: Wenn es nach EU-Ratspräsident Spanien geht, sollen bald auch alle Schengen-Länder Passagierdaten abrufen können -- nicht nur um Terroristen, sondern auch um unerwünschte Einwanderer schneller schnappen zu können. Unter dem Motto "Modell des globalen Managements der Außengrenzen" sollen die Luftfahrtgesellschaften Daten und Reisedokumente von Passagieren erheben und diese direkt an die Grenzkontrolleure geben. Auch sollen die Daten von den Reisenden weitergegeben werden, die ihr Rückflugticket nicht nutzten oder ihre Reise in einem dritten Staat nicht fortgesetzt haben.

Spanien sieht darin eine hilfreiche Maßnahme, um illegale Einwanderung und Terrorismus zu bekämpfen. Kanada und Australien haben inzwischen ein Gesetz verabschiedet, das den Zugriff auf die Passagierdaten verlangt. In Großbritannien ist ein solches Gesetz in Diskussion. Entsprechende Anfragen konnte der Geschäftsführer des europäischen Buchungssystems Amadeus, Hamilton Baird, schon verzeichnen. Gerüchteweise sollen auch Mexiko, Südkorea, Botswana und Singapur bereits Interesse an einem Zugriff auf die Flugpassierdatenbanken angemeldet haben. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (anw)