Die (un-)heimliche Hauptstadt des geistigen Eigentums

Die Max-Planck-Gesellschaft gründet eine neue Expertenschmiede für geistige Eigentumsrechte.

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Von
  • Richard Sietmann

München, so sieht es die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), galt bislang schon als die heimliche Hauptstadt des Geistigen Eigentums in Europa. Das Europäische Patentamt (EPO), das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) und das Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht sind hier angesiedelt. Am kommenden Montag wird die MPG diese Liste um weitere Einrichtung bereichern und mit einer Festveranstaltung offiziell das Munich Intellectual Property Law Center (MIPLC) eröffnen.

Nach eigener Darstellung handelt es sich bei dem neuen akademischen Zentrum um "eine in dieser Form in Europa bislang einzigartige Bildungs- und Forschungsstätte des Geistigen Eigentums". Das MIPLC ist ein gemeinsames Projekt des bereits ansässigen Max-Planck-Instituts, der Universität Augsburg, der TU München und der George Washington University Law School und soll, erklärt MPG-Präsident Peter Gruss, "den bisher ungedeckten Bedarf der Wirtschaft, aber auch der Politik und der Wissenschaft" an Patent- und Urheberrechtsexperten decken. So wird beispielsweise die Universität Augsburg von Oktober an einen einjährigen Studiengang anbieten, der vollständig in Englisch abgehalten wird und mit dem Grad eines Master of Law in Intellectual Property (LL.M. IP) abschließt.

Das Münchner Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum unter seinem Direktor Josef Straus "betätigt sich seit Jahren als rechtspolitischer Wegbereiter des Privatbesitzes an allen Geisteserzeugnissen, die sich irgendwie beanspruchen und verwerten lassen", kritisiert der Förderverein für eine freie Informations-Infrastruktur (FFII) in dem Dossier "Patentlobbyismus und Schriftgelehrsamkeit im Namen Max Plancks" zu den wirtschaftlichen Verflechtungen des Instituts. Mit seinem Einsatz für die Ausweitung des Patentschutzes auf Bio- und Software-Patente diente Straus zahlreichen nationalen und internationalen Gremien als Berater, so unter anderem dem Deutschen Bundestag, dem Europäischen Parlament, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Europäischen Patentamt, der Weltbank, der OECD und der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO).

Dies offenbar mit Erfolg. Inzwischen klagen selbst große Konzerne über das ausser Kontrolle geratene Patentwesen. In dem Geschäftsbericht für die US-Börsenaufsicht SEC weist der französische Telekommunikationsriese Alcatel beispielsweise auf die erheblich gestiegenen Risiken aus Patentstreitigkeiten hin: "Wie andere Unternehmen der Telekommunikationsindustrie unterliegen wir häufig gerichtlichen Auseinandersetzungen um Patente und andere geistige Eigentumsrechte. Dritte haben behauptet, und könnten künftig behaupten, wir würden ihr geistiges Eigentum verletzen. Die Zurückweisung solcher Ansprüche kann teuer sein und Belastungen unseres Managements und unserer technischen Mitarbeiter nach sich ziehen. Falls es nicht gelingt, diese Klagen abzuweisen, müssten wir beträchtliche Mittel aufwenden, Umgehungstechnologien zu entwickeln oder Lizenzen für die umstrittenen Technologien zu erwerben. ... Wir können jedoch nicht sicher sein, dass -- wenn überhaupt -- uns solche Lizenzen zu wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen eingeräumt werden".

Vielleicht sollte Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister Wolfgang Clement, der jüngst ein Referat zum Abbau bürokratischer Hemmnisse in der Wirtschaft einrichtete, die Aufmerksamkeit seiner Fachbeamten auch auf diesen Problemkreis richtem. Bislang schreitet die Bürokratisierung auf diesem in der allgemeinen Öffentlichkeit bisher kaum beachteten Gebiet jedenfalls unaufhaltsam voran (Richard Sietmann) / (jk)