Digitalpakt 2.0 soll Scherben eines gescheiterten Bildungssystems beseitigen​

Ex-Innenminister de Maizière sieht schwarz für die Zukunft von Lehrern und Schülern in Deutschland. Er fordert eine gemeinsame Strategie von Bund und Ländern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 36 Kommentare lesen
Group,Of,Happy,Kids,With,Their,African,American,Female,Science

(Bild: BGStock72/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der mittlerweile die gemeinnützige Deutsche Telekom Stiftung leitet, sieht schwarz für die Zukunft von Lehrern und Schülern in Deutschland. "Wir stehen vor den Trümmern eines nicht reformfähigen Bildungssystems", beklagte der CDU-Politiker jüngst in einem Papier zum hiesigen "Bildungsnotstand". Am Mittwoch führte er seine Bedenken auf der Online-Bildungskonferenz des IT-Branchenverbands Bitkom aus.

Bund und Länder müssten endlich über ein Projekt für die Digitalisierung des Bildungssektors reden, forderte de Maizière. Dazu seien "multi-professionelle Teams" nötig, damit nicht nur die "ITler" für alles verantwortlich gemacht würden. Es brauche ein Konzept, um digitale Instrumente im Unterricht "auch ohne Corona" zu nutzen.

Der Christdemokrat monierte, dass der Bund nun einseitig Kompetenzzentren für digitale Bildung ausschreibe, während die Länder das Bildungsgipfelchen der Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger (FDP) vorige Woche weitgehend ignoriert hätten. Die Telekom-Stiftung und weitere Organisationen hatten zuvor in einem Appell einen echten nationalen Bildungsgipfel gefordert, um einen "grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten".

Jens Brandenburg, parlamentarischer Staatssekretär im Bildungsministerium, räumte ein, dass es die Politik bislang trotz weitreichender Investitionen nicht geschafft habe, alle Herausforderungen der Bildungspolitik zu meistern und eine Trendwende zu erreichen. Zumindest sei mit den mittlerweile projektgebundenen 80 Prozent der verfügbaren 5 Milliarden Euro eine "große Aufholjagd gelungen": 26.000 Schulen hätten bereits in der Ausstattung profitiert.

Mit den Kompetenzzentren fange der Bund schon einmal mit den MINT-Fächern an (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) und wolle auch die Lehrkräfteweiterbildung voranbringen, berichtete der FDP-Politiker. Der Bund finanziere diese jetzt alleine. "Wir arbeiten nicht gegen die Länder", betonte Brandenburg. Vielmehr wolle der Bund auch die kommunale Seite und die Zivilgesellschaft stärker an Bord nehmen. Es gelte, "über alle föderalen Ebenen hinweg gemeinsam an einem Strang" zu ziehen.

Auch über "die rechtlichen Grundlagen" und eine mögliche Änderung von Artikel 104c Grundgesetz zu Finanzhilfen des Bundes für die Länder rund um "gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen" zum Ausbau der Bildungsinfrastruktur will der Liberale dabei reden. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe stellte aber klar, dass die Ampel-Koalition im Bund eine Grundgesetzänderung ablehne und es eine solche daher "nicht geben" werde.

Die Länder müssten "verflixt noch mal vorankommen, wenn es darum geht, unsere Lehrkräfte mitzunehmen", unterstrich Rabe. Digitalisierung von Schulen sei mehr, als beim Laden um die Ecke die Kasse umzustellen. Alle Verantwortlichen müssten diesen Prozess mittragen. Bundesweit einheitliche Mindeststandards für die technische Ausstattung und pädagogische Konzepte seien sinnvoll. Die gleichen Rahmenbedingungen ließen sich aber nicht mehr herstellen. In der Hansestadt setzten die Schulen längst auf unterschiedliche Lernprogramme wie IServ oder itslearning und Geräte von Apple oder Samsung. Es sei zu spät, das Rad zurückzudrehen.

Claudia Alsdorf von Microsoft Deutschland warb dafür, neue, auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Werkzeuge wie ChatGPT in den Schulalltag einzubeziehen. Es gebe zwar "sehr verständliche Ängste" vor allem rund um Plagiate. Dennoch wäre es falsch, Prüfungen nur noch mit Papier und Bleistift zuzulassen, da die Fachkräfte von morgen ihren Beruf mit digitalen Mitteln gestalten müssten. ChatGPT sei "hochgradig geeignet" etwa zum Sprachen lernen, für die Unterrichtsplanung oder die Quellenprüfung.

(vbr)