Unsichtbar auf Facebook

Eine Ergänzung für den Browser Firefox soll Nutzern des beliebten sozialen Netzwerks erlauben, sensible Daten vor den neugierigen Blicken Fremder zu schützen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Robert Lemos

Soziale Netzwerke sind voll mit Beispielen von Usern, denen bei der Nutzung offensichtlich nicht klar ist, welche Auswirkungen das Einstellen sensibler Daten auf ihre Privatsphäre haben könnte.

Im Februar wurde so beispielsweise im US-Bundesstaat Wisconsin ein Lehrer suspendiert, der auf Facebook ein Bild eingestellt hatte, auf dem er eine Waffe auf die Kamera richtet. Im April fiel dann eine Angestellte einer europäischen Versicherung ihrem Hobby zum Opfer: Ihre Vorgesetzten konnten in einem sozialen Netzwerk feststellen, dass sie trotz Krankmeldung noch fleißig am Aktualisieren ihres Profils war.

Und es sind nicht nur berufliche Probleme, die die Angebote für unbedarfte Nutzer hervorrufen können. Auch die Betreiber selbst sind nicht vor Kritik sicher, gelten manchem Datenschützer als Infokraken, die zu leichtfertig mit den ihnen anvertrauten Nutzerdaten umgehen.

Forscher an der University of Waterloo im kanadischen Ontario haben deshalb nun ein Browser-Plug-in gezeigt, das Usern helfen soll, ihre Daten auch bei Nutzung großer sozialer Netzwerke vor neugierigen Blicken Fremder zu schützen – und vor den Website-Betreibern selbst. Urs Hengartner, Juniorprofessor für Computerwissenschaften an der Hochschule, erläutert, dass die Software sensible Informationen aus dem Facebook-Profil eines Nutzers ersetzt und den Nachrichtenstrom ("News Feed") mit bedeutungslosen Texten vollschreibt, die nur vertrauenswürdige Freunde oder dafür frei geschaltete Kontakte entschlüsseln können.

Der Name der Software, deren Funktionsweise Hengartner und Kollegen in einem Paper erläutern, lautet "FaceCloak". Sie soll sicherstellen, dass private Informationen auch wirklich privat bleiben. "Wenn man etwa an einer bestimmten Krankheit leidet, will man vielleicht, dass diese nur den echten Freunden bekannt ist", sagt Hengartner. FaceCloak erlaube es den Nutzern nun, zu entscheiden, welche Daten auf Facebook lesbar seien und welche nicht.

Das Werkzeug der Kanadier ist nicht der erste Versuch, Nutzern sozialer Netzwerke mehr Kontrolle über ihre Privatsphäre zu geben. Die meisten User von Facebook, MySpace und anderen sozialen Netzwerken wissen gar nicht, welche Auswirkungen das Einstellen persönlicher Informationen in den Angeboten haben kann, meint Alessandro Acquisti, Dozent für Informationssysteme an der Carnegie Mellon University (CMU).

2005 zeigten Acquisti und sein CMU-Kollege Ralph Gross, dass nahezu 80 Prozent der Facebook-Nutzer ihr Geburtsdatum öffentlich mitteilten und die Mehrheit zudem ihre vollständige Adresse angab – alles Daten, die sich für den Identitätsdiebstahl eignen. "Man hat das Gefühl, dass man mit einem Freund redet und eine beiläufige Konversation führt. Dabei veröffentlicht man Informationen in einem Forum, in dem sie sehr lange bestehen bleiben könnten." Die Privatsphäre sei nicht das erste, an das man bei Verwendung eines sozialen Netzwerks denke.

Heutzutage sind sich viele Nutzer dieser Dinge allerdings bewusster als noch vor einigen Jahren. In einer neueren Studie konnte Acquistis Gruppe zeigen, dass inzwischen 30 bis 40 Prozent der User sozialer Netzwerke immerhin teilweise Veränderungen an den Privatsphäreneinstellungen vornehmen, um mehr Kontrolle über ihre Daten zu haben.

Das Problem bleiben die Betreiber selbst – Geld verdienen mit Ansätzen wie personalisierter Werbung ist zu lukrativ. Das zeigt sich beispielsweise am "Beacon"-Werbedienst von Facebook, der teilnehmenden Firmen erlaubt, ihre Reklame anhand der Aktivitäten der Nutzer bei dem Dienst und auf anderen Seiten anzupassen, was Datenschützern überhaupt nicht gefällt.

FaceCloak soll als Plug-in für den Mozilla-Browser Firefox implementiert werden. Die Verwendung ist einfach: Es erlaubt Nutzern, Informationen zu kennzeichnen (standardmäßig mit einem doppelten "@"-Zeichen), die verschlüsselt und nur Freunden zugänglich gemacht werden sollen. Ein FaceCloak-Nutzer besitzt einen geheimen Zugriffsschlüssel, mit einem weiteren werden die Freunde versorgt. Dieser wird dann verwendet, um auf die echten Informationen zuzugreifen. Diese lagern als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme auf von Facebook getrennten Servern.

Das Konzept könnte auch mit anderen sozialen Netzwerken wie Twitter und MySpace funktionieren – Hengartner und Kollegen konzentrierten sich aber zuerst auf das aktuell enorm populäre Facebook.

Ähnliche Werkzeuge werden auch von anderen Forscherteams entwickelt, die versuchen, sozialen Netzwerken ihre bekannten Datenschutzprobleme auszutreiben. Eine Gruppe von Wissenschaftlern an der Cornell University schuf ein weiteres Firefox-Plug-in namens None of Your Business (NOYB), das Profilinformationen so verschlüsselt, dass sie nur von einer vorher bestimmten Gruppe von Freunden gelesen werden können. Zwei Forscher der University of Illinois in Urbana-Champaign haben außerdem eine Facebook-Anwendung namens "FlyByNight" entwickelt, die die Daten der Nutzer automatisch verschlüsseln kann.

Im Gegensatz zu anderen Projekten funktioniert FaceCloak aber mit einer beliebigen Anzahl von Kontakten und ist nicht von der Mitarbeit der Netzwerkanbieter abhängig. Die Forscher der University of Waterloo versuchen außerdem, die Verschlüsselung zu verbergen, indem die zu schützenden Daten durch Zufallstexte aus verschiedenen Internet-Quellen ersetzt werden. "Nutzer, die bei Facebook verschlüsselte Informationen eingeben, fallen auf – anderen Nutzern und dem Betreiber selbst. Sie machen sich damit verdächtig. Falsche Informationen können helfen, dies zu vermeiden", sagt Hengartner.

Es gibt allerdings noch diverse Probleme, die zu lösen sind. So unterstützt FaceCloak noch keine Bilder. Außerdem könnte der Server, auf dem die echten Daten liegen, angegriffen werden. Und dann wären da noch die Probleme, die auch weiterhin außerhalb von Facebook entstehen können. "Wenn man einem Freund persönliche Informationen mitteilt, muss man ihm vertrauen können, dass er mit ihnen verantwortungsbewusst umgeht. Wenn der sich dann doch falsch verhält, kann man sie nicht einfach aus seinem Gehirn löschen." (bsc)