DNA als unsicheres Beweismittel

Der genetische Fingerabdruck gilt als ultimative Fahndungshilfe bei Verbrechen. Doch nicht erst seit dem Skandal um das "Heilbronner Phantom" mehren sich Zweifel. Nun gelang es israelischen Forschern, nachgebaute falsche DNA-Spuren auszulegen.

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Einst war es relativ einfach für Kriminelle, bei ihren Taten unerkannt zu bleiben. Sturmhaube oder notfalls Strumpf über dem Kopf sorgten dafür, dass eventuell aufgestellte Überwachungskameras ausgetrickst wurden; stets getragene Handschuhe verhinderten Fingerabdrücke. Seit es jedoch möglich ist, auch aus geringsten Spuren körpereigenen Materials vom Haar bis zur Hautschuppe genetische Informationen zu extrahieren, ist die Arbeit für Kriminologen einfacher geworden. Sie können entsprechende Funde mit vorhandenen DNA-Datenbanken abgleichen oder eine Massenfahndung einleiten, bei der dann ganze Bevölkerungsgruppen, die ins Täterprofil passen, zum Gentest gebeten werden.

Doch wie zuverlässig sind solche Erbgutspuren, die aufgrund ihrer scheinbaren Eindeutigkeit von der Forensik gerne als "genetischer Fingerabdruck" betitelt werden? Die Makellosigkeit der Technologie bekommt in letzter Zeit einige Kratzer. Da war der Fall des "Phantoms von Heilbronn", bei dem zahlreiche Kapitalverbrechen nur deshalb ein und der selben Täterin zugeordnet wurden, weil stets mit der DNA einer Verpackungsmitarbeiterin verunreinigte Wattestäbchen zur Probenentnahme verwendet worden waren. An schlappen 40 Tatorten fanden sich die vermeintlichen Spuren einer Kapitalverbrecherin, die jahrelang durch Frankreich, Deutschland und Österreich spukte. Erst spät fiel den Fahndern ihr peinlicher Fehler auf.

Die stets gegebene Möglichkeit solcher Ermittlungspannen ist allerdings nur eines der beiden groben Probleme, die die Macht des genetischen Fingerabdrucks im forensischen Bereich derzeit Glaubwürdigkeitspunkte kostet. Das zweite: Was wäre, wenn Täter selbst falsche Spuren auslegten, um die Ermittler zu verwirren oder sie gar dazu zu führen, Unschuldige zu verdächtigen?

Zusätzliches Erbgutmaterial an einem Tatort unterzubringen, ist eigentlich kein Problem. Dazu muss sich ein Gangster nur eines Haarkamms einer Person bemächtigen, die als Sündenbock hingestellt werden soll. Von den so gewonnenen Strähnen und Follikeln genug am Ort eines Mordes verteilt, müssen die ermittelnden Beamten mindestens auch diesen zweiten potenziellen Täter in Betracht ziehen. Dass das noch nicht besonders häufig erfolgt, scheint nur daran zu liegen, dass der Trick Verbrechern noch zu unbekannt ist.

Noch schlimmer würde es allerdings werden, wenn es Kriminellen möglich wäre, auch ohne Erbgut eines unfreiwilligen Spenders falsche genetische Fingerabdrücke an einen Tatort zu bringen. Genau das ist nun Forschern in Israel gelungen, wie sie in einem Paper für das Forensik-Journal "FSI Genetics" schreiben. Die Studie stammt von den genetischen Forensikern Dan Frumkin, Adam Wasserstrom und Ariane Davidson aus Tel Aviv, unterstützt wurden sie von Arnon Grafit, der selbst für das mobile Labor der forensischen Einheit für Kapitalverbrechen der israelischen Polizei arbeitet.

Besonders schwierig ist der Trick laut der Forscher nicht. Sie glauben, dass es selbst einem Biologiestudenten mit Bachelor möglich sei, einen Tatort "zu erfinden". Bei ihrem Experiment nutzten Frumkin und seine Kollegen eine von typische Gendatenbank, wie sie auch von Polizeibehörden verwendet wird,um ein DNA-Profil zu extrahieren. Damit gelang es ihnen, eine Probe zu generieren, die dem Profil entsprach, ohne dass sie echtes Gewebe der Person benötigten.

Damit das funktionierte, stellten die Forscher zunächst einen Pool aus DNA-Proben zusammen. Daraus klonten sie sich dann diverse kleine Abschnitte, die häufig vorkommenden Variationen an den in forensischen Labors standardmäßig getesteten Stellen entsprachen. So entstand nach und nach eine "Bibliothek", aus der sich die Forscher beliebig bedienen konnten, um Proben zu generieren - etwa vermischt mit roten Blutkörperchen, die keine DNA enthalten. So ergab sich eine Spur, die äußerst genau auf den "Täter" passte. Besonders schlimm: Die Forscher glauben, dass insgesamt rund 400 Abschnitte ausreichen dürften, um nahezu jedes beliebige Profil zu züchten.

Daraus ableitbar sind diverse weitere Missetaten, die auch ohne Datenbankzugriff möglich sind. Ein geschickter Bösewicht könnte DNA einer ihm verhassten Person von einem weggeworfenen Kaffeebecher oder einem Zigarettenstummel entnehmen, ein Profil anlegen und dann damit wiederum das Opfer in Bedrängnis bringen.

John M. Butler, Experte für genetische Identitätsfeststellung am US-Nationalinstitut für Standards und Technologie (NIST), hält die Arbeit der israelischen Forscher für beeindruckend. Allerdings sei nicht zu erwarten, dass ein Durchschnittskrimineller sie auch anwenden könne.

Forscher Frumkin glaubt dennoch, dass das Problem gefälschter genetischer Fingerabdrücke in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird. Er hat deshalb eine Firma gegründet, die Tests entwickelt, die Fälschungen ausschließen soll. Diese müssten künftig bei jeder Probe vorgenommen werden. (bsc)