Krisenhelfer Open Source

Viele IT-Verantwortliche verspüren derzeit vor allem eines: Kostendruck. Gewinner der Krise sind Lösungen, die Kosten einsparen und gleichzeitig einen hohen Grad an Flexibilität erlauben. Ein möglicher Ansatzpunkt ist Open Source – aus vielen Gründen.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Dr. Michael Bark
  • Dr. Oliver Diedrich
Inhaltsverzeichnis

Dr. Michael Bark, promovierter Physiker und seit über zehn Jahren in der IT-Beratung tätig, ist Geschäftsführer von Evodion Information Technologies. Das Hamburger Systemhaus mit 45 Mitarbeitern betreut Unternehmen bei der Entwicklung, Integration und Migration ihrer IT-Landschaft. Schwerpunkte von Evodion sind die Entwicklung individueller Software-Lösungen, die Implementierung dynamischer Websites und Portale sowie die Integration und Migration geschlossener IT-Systeme.


Der Einsatz erprobter, stabiler Applikationen, die sich an offenen Standards orientieren, ist ein lang anhaltender und nachhaltiger Trend in der IT. Ein Grund dafür gewinnt gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise an Bedeutung: Durch offene Standards lassen sich Abhängigkeiten von Herstellern reduzieren, die versuchen, den Kunden durch proprietäre Erweiterungen an sich und die eigenen (oft teuren) Produkte zu binden. Open-Source-Software bietet offengelegte Schnittstellen und bedeutet so Unabhängigkeit von Herstellern und mehr Flexibilität.

Problematisch kann der Einsatz proprietärer Software zudem dann werden, wenn der Hersteller in der Krise die Weiterentwicklung seiner Software nicht mehr gewährleistet, den Support einstellt oder im schlimmsten Fall sogar Konkurs anmeldet. Für diesen Fall wären die getätigten Investitionen gefährdet. Die Verfügbarkeit der Quelltexte bei Open Source dagegen garantiert einen gewissen Investitionsschutz.

Da es in frühen Phasen eines neuen Projekts oft schwierig ist, Budgets einzuwerben, ist bei der Evaluierung, Erprobung und dem Proof of Concept der Einsatz von Open-Source-Produkten sehr hilfreich. Durch die kostenfreie Nutzung von Open-Source-Komponenten wie Datenbanken, Applikationsservern oder Content Management Systemen können Mitarbeiter Prototypen entwickeln und bereitstellen, ohne dass dadurch Kosten entstehen oder zunächst Verhandlungen mit Herstellern über eine Teststellung geführt werden müssen. Das minimiert die Risiken, die mit der Umsetzung der produktiven Applikation einhergehen. Im Prinzip ist es wie beim Autokauf: Müsste man für die Probefahrt eines neuen Autos bereits die volle Kaufsumme aufbringen, wäre der Handlungsspielraum sehr eingeschränkt.

Auch im Bereich Support lassen sich Kosten einsparen, denn die Anwender von Open-Source-Lösungen können den kostenlosen Support von Communities, Foren, Blogs und Tutorials nutzen. Bei kommerziellen Lösungen sind äquivalente Leistungen in dieser Form kaum erhältlich oder werden durch eine Wartungsgebühr "erkauft".

Einsparpotenzial beim Betrieb bergen auch Infrastrukturkomponenten. Der Einsatz von Open-Source-Datenbanken beispielsweise wird mittlerweile kaum noch kontrovers diskutiert. Neben der bekanntesten Open-Source-Datenbank MySQL, die 2008 von Sun erworben wurde, existieren eine Reihe weiterer ausgereifter Systeme von PostgreSQL über Firebird bis hin zu Ingres. PostgreSQL etwa ist durch Features wie Transaktionen, benutzerdefinierten Funktionen, Stored Procedures, Triggers oder Subqueries vergleichbar mit den kommerziellen Pendants von Oracle, Microsoft oder IBM.

Weitere Infrastrukturkomponenten, die nicht so sehr im Rampenlicht stehen, übernehmen Überwachungs- und Verwaltungsaufgaben. Mit dem Open-Source-System Nagios etwa können Unternehmen die gesamte IT-Infrastruktur kontrollieren. Nagios bietet dazu eine Sammlung von Modulen zur Überwachung von Netzwerken, Hosts und speziellen Diensten sowie eine Web-Schnittstelle zum Abfragen der gesammelten Daten an. Die Software ist vergleichbar mit kommerziellen Produkten wie Tivoli von IBM oder dem HP Systems Insight Manager.

Will man die laufenden Betriebskosten senken, sollte man auch die jährlichen Wartungsgebühren für die eingesetzte Software kritisch beleuchten, die bei vielen Anwendungen an den Hersteller zu zahlen sind. Spätestens nach der Amortisation der Lizenzkosten kann sich der Wechsel auf ein Open-Source-Produkt lohnen, wenn die mit dem Hersteller vereinbarten Wartungsgebühren – in der Regel um 20 Prozent des Listenpreises– höher sind als die Kosten einer Umstellung auf Open Source. Hierbei müssen natürlich auch die Funktionalität, die Leistungsfähigkeit und Support-Fragen berücksichtigt werden.