Blogger sagen ihre Meinung

Als Alternative zum Informationsangebot der großen US-Networks stellen immer mehr Besucher von Blogger-Seiten eigene Beiträge zu Themen der Zeit ins Netz.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 119 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Verena Wolff
  • dpa

Auf die Meinungsfreiheit in ihrem Land sind die Amerikaner besonders stolz. Bereits im ersten Verfassungszusatz haben sie die Meinungs- und Pressefreiheit verankert. Doch in Zeiten eines bevorstehenden Krieges mehren sich in den USA die Stimmen, die den ihrer Ansicht nach zu regierungskonform berichtenden Medien den Kampf ansagen. "Die Blogger wollen kein passives Publikum sein, sondern an der Meinungsbildung mitwirken", schreibt Bloggerin Rebecca Blood auf ihrer Webseite und definiert damit das Anliegen dieser seit 1999 rapide wachsenden Community im Netz.

Blogger, deren Name sich vom amerikanischen "web-log", dem Einstellen kurzer Kommentare, Tagebucheinträge und Fotos ableitet, widmen sich allen möglichen Themen -- von der Verbannung homosexueller Jugendlicher aus Pfadfinderlagern bis hin zum neuesten Hollywood-Klatsch. Nach dem Bush-Ultimatum an Saddam Hussein ist allerdings auf den Seiten ein Thema vorherrschend: der bevorstehende Krieg und die Information der amerikanischen Bevölkerung.

"In Zeiten, in denen die Pressekonferenzen im Weißen Haus mit einem Drehbuch ablaufen und der Präsident sogar die Kardinalregel verletzt, die US-amerikanische Journalisten-Ikone Helen Thomas die erste Frage stellen zu lassen, sind diese tatsächlich freien und kritischen Meinungsäußerungen im Netz bitter nötig", befindet ein Blogger auf der Seite disinfopedia.org. Sie ist als "Enzyklopädie der Propaganda" ins Netz gestellt worden, auf der mutmaßliche Irreführungen und Falschmeldungen der US-Regierung aufgelistet werden sollen.

Das Interesse an alternativer Information zu den großen US-Networks, die sich nicht selten den kommerziellen Interessen ihrer Mutterkonzerne unterordnen müssen, ist offenbar groß. Der disinfopedia.org-Server war am Montag so überlastet, dass stundenlang nur Fehlermeldungen erschienen. Nun liegt die Seite des nicht-kommerziellen "Zentrums für Medien und Demokratie" auf einem schnelleren Server.

Wer an den Diskussionen im Netz teilnehmen möchte, muss kein Experte im Programmieren von Webseiten sein. Die meisten Blogger bedienen sich des Angebots von blogger.com, das im Internet kostenlos bereitsteht. In einem Schreibfeld werden die Beiträge auf den Bildschirm gebracht, per Mausklick auf der Blogger-Seite eingeordnet und ins Netz gestellt.

Der deutsche Chaos Computer Club (CCC) sieht diese Seiten als wichtige Beiträge zur weltweiten schrankenlosen Informationsfreiheit. "Es ist immer gut, wenn man zunächst mehrere Wahrheiten vergleichen und sich dann eine Meinung bilden kann", betont CCC-Sprecher Lars Weiler. Auch wenn es in den USA generell eine umfassende Meinungsfreiheit gebe, sei es in der aktuellen Irak-Krise positiv, wenn US-Bürger sich zusätzlich selbst Informationen holen könnten.

Statt sich dem allgemeinen Tenor der US-amerikanischen Berichterstattung unterzuordnen, frönen die Blogger ihrer Leidenschaft. "Sie bringen mehr Fakten ins Netz und tragen zur Interpretation der Nachrichten bei, mit denen wir täglich gefüttert werden", so Bloggerin Blood. "Mit ihrem Sarkasmus und der unerschrockenen Kommentierung erinnern sie uns daran, dass wir Meldungen hinterfragen müssen." Mit dieser Einstellung schaffen die Blogger einen lebhaften Gegenpol zu den großen TV-Networks. "Die Meinung eines jeden gewährt neue Eindrücke und ist somit wichtig."

Doch nicht nur regierungskritische Einträge und Seiten sind im Netz zu finden. Auf hunderten Domains machen sich Blogger für den US-amerikanischen Oberbefehlshaber und seinen politischen Kurs stark. So befindet ein Blogger auf der Seite instapundit.com, die jüngste Bush-Rede sei eine der besten seiner Amtszeit gewesen -- und erntet viel Unterstützung von Gleichgesinnten. (Verena Wolff, dpa) / (pmz)