Solarer Angriff aus Luckenwalde

Mit dem Start einer vollautomatisierten Fabrik will die kalifornische Firma Nanosolar die Solarzellen der dritten Generation endlich marktreif machen – und die Konkurrenz bei den Herstellungskosten unterbieten.

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Von
  • Kevin Bullis

Solarer Angriff aus Luckenwalde (1 Bilder)

Module aus Roboterhand

Die vollautomatische Fabrik von Nanosolar in der Nähe von Berlin kann jährlich Module mit einer Gesamtleistung von 640 Megawatt produzieren. (Bild: Nanosolar)

Bislang gilt die dritte Generation von Solarzellen als hübsche, aber noch nicht marktreife Idee. Dank nanostrukturierter Materialien sollen sie Solarmodule ermöglichen, die extrem flach und biegsam sind und ein größeres Lichtspektrum nutzen. Investitionen flossen zwar reichlich, doch eine Massenproduktion lässt noch auf sich warten. Vielleicht nicht mehr lange: Die kalifornische Firma Nanosolar hat in Luckenwalde bei Berlin ihre europäische Fertigungsstätte eröffnet. Dort können Solarmodule mit einer jährlichen Gesamtleistung von 640 Megawatt produziert werden.

Die Zellen von Nanosolar bestehen aus Aluminiumfolien, auf die ein Halbleiter-Gemisch aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS) im Rotationsverfahren gedruckt wird. Im Labor haben die CIGS-Zellen bereits beachtliche Wirkungsgrade erreicht, die an konventionelle Silizium-basierte Solarzellen herankommen. Mit Hilfe des Rotationsdrucks will Nanosolar die Photovoltaik viel billiger als bisher machen und die Kosten pro Watt auf unter einen Dollar drücken. Unklar war bisher aber, ob die theoretisch möglichen Wirkungsgrade auch mit diesem Produktionsverfahren realisiert werden können.

Nanosolar will dieses Problem nun gelöst haben. Mit einem maximalen Wirkungsgrad von 16,4 Prozent sind die Solarzellen zwar nicht ganz so effizient wie die Prototypen, die im Labor 20 Prozent erreicht haben. Und in der Praxis wandeln sie im Mittel nur elf Prozent der Sonnenenergie in Strom um. Das sei aber genug, um mit herkömmlichen Zellen konkurrieren zu können, sagt Martin Röscheisen, der deutschstämmige Gründer von Nanosolar. Denn man habe das Design der Zellen so verbessert, dass die Installationskosten relativ niedrig sind.

Röscheisen schätzt, dass mit den neuen CIGS-Modulen eine Kilowattstunde Solarstrom von fünf bis sechs Cent produziert werden kann. Grundlage der Schätzung ist ein Berechnungsverfahren des US-Energieministeriums für die Amortisierung von Solarmodulkosten über die gesamte Lebensdauer. Stimmt die, würde das bedeuten, dass Solarstrom so billig wird wie Strom aus Kohlekraft – und viel billiger als Strom aus herkömmlichen Photovoltaik-Anlagen, der 18 bis 22 Cent pro Kilowattstunde kostet.

Ein geringerer Wirkungsgrad führt zunächst dazu, dass mehr Module installiert werden müssen, um eine bestimmte Strommenge zu erzeugen. Das kann die Kosten ebenso erhöhen wie die Elektronik, mit der der Strom aus den Modulen abgeführt wird. Den Aufwand zur Verkabelung will Nanosolar dadurch verringern, dass die Aluminiumfolien der Module einen Teil des Elektronentransports übernehmen. Zudem sind die Nanosolar-Module größer als andere Modelle. Im Endeffekt soll ein Modul so auf eine Leistung von 160 Watt kommen – verglichen mit 70 Watt, die etwa die Module von First Solar aus Arizona erreichen.

Ebenfalls zur Kostensenkung soll die Fabrik in Luckenwalde beitragen. Sie produziert die Lichtsammler vollautomatisch, auch mit Hilfe von Industrierobotern (siehe Bilderstrecke). Ihr Ausstoß sei doppelt so hoch wie in herkömmlichen Solarzell-Fabriken, sagt Röscheisen.

Doch selbst mit diesen Verbesserungen dürfte es Nanosolar schwer haben, die Konkurrenz anzugreifen. Die niedrigen Kosten, die Röscheisen nennt, lassen sich nur dann realisieren, wenn die Fertigungsanlage voll ausgelastet ist. Derzeit produziert sie Module mit einer Gesamtleistung von einem Megawatt pro Monat. Der Grund: Die Module sind noch nicht „Bank-fähig“. Erst wenn Technologie ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat, werden Banken bereit sein, ihre Installation im großen Stil zu finanzieren.

Gleichzeitig sind die Preise für Solarmodule ins Rutschen gekommen. Schuld sind eine zuletzt schwächelnde Nachfrage, die zu Überkapazitäten geführt hat, und verbesserte Fertigungstechniken für herkömmliche Solarmodule. Röscheisen peilt dennoch Module an, deren Kosten die von First Solar – bekannt für seine äußerst niedrigen Produktionskosten – unterbieten.

Travis Bradford, Präsident des Prometheus Institute for Sustainable Development in Chicago, ist skeptisch, dass Nanosolar das schafft. „Röscheisens Theorie ist zwar richtig“, sagt er, „aber die Marktbedingungen könnten verhindern, dass sie in die Praxis umgesetzt werden kann.“ (nbo)