IPv6 vs. IPv4: Wann werden die IP-Adressen knapp?

Anders als in Forschungsumgebungen tut sich das neue IP-Protokoll im ganz normalen Markt immer noch schwer.

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Von
  • Monika Ermert

Wann gehen Ipv4-Adressen wirklich zur Neige und machen die Einführung der neuen, 128-Bit-Adressen von Ipv6 notwendig? Beim Ipv6-Gipfel der neugegründeten Schweizer IPv6 Taskforce fielen die Antworten darauf recht unterschiedlich aus. Peter Fischer, Vizechef der "Abteilung Telecomdienste" beim Schweizerischen Bundesamt für die Kommunikation (BAKOM) meinte: "Nach den Statistiken, die wir gesehen haben, sind IPv4-Adressen nicht knapp, sie sind aber geographisch sehr ungleich verteilt." Über 50 Prozent der Adressen sei an US-Unternehmen und -Institutionen vergeben und man sei noch nicht einmal sicher, ob sie tatsächlich genutzt würden.

Trotz dieses Ungleichgewichtes kann man laut Fischer bei gleich bleibendem Wachstum mit der von der europäischen IP-Registry RIPE geschaffenen Reserve von etwa 30 bis 40 Prozent des IPv4-Adresspools noch eine Weile leben. "Wenn mal jede Flasche Milch eine IP-Adresse ist, dann brauchen wir die neuen Adressen natürlich." Yannick Pouffary, IPv6-Entwicklerin der ersten Stunde und heute bei Hewlett-Packard, warnte demgegenüber davor, auf die Reserven beim RIPE zu vertrauen. "Zwar sagt man beim RIPE auf der einen Seite, wir haben genügend Adressen. Auf der anderen Seite verweigert man aber Adressen für neue Anwendungen", sagte Pouffary gegenüber heise online. Dem GSM-Konsortium habe man so etwa die gewünschten eine Million Adressen verweigert.

Die Abhängigkeit des 3G-Mobilfunks von dedizierten Adressen ist einer der Hauptgründe für das Engagement der Europäischen Union bei IPv6. Auch innerhalb des 6. Forschungsrahmenprogramms haben Ipv6-Projekte wieder gute Chancen. "Alle ICT-Projekte müssen IPv6-fähig sein, das ist eine Voraussetzung für die Förderung", sagte Nicholas Nicholson von der EU. Nachdem im 5. Forschungsrahmenprogramm vor allem die Einrichtung von IPv6-Netzen gefördert wurden, will man sich vor allem auf Applikationen konzentrieren.

Als Beispiel für ein von der EU im Rahmen von 6WINIT gefördertes Projekt wurde in Zürich das "Guardian Angel System" (GANS) vorgestellt, eine Kooperation zwischen Uniklinikum Tübingen (UKT), Uni Stuttgart, Ericsson und weiteren Partnern. GANS soll die Zuschaltung medizinischer Experten in Notfällen per Knopfdruck möglich machen. Für die unterbrechungsfreie Übertragung von Bild- und Tonübertragung von Vitaldaten und Vorortbildern des Patienten aus einem Krankenwagen setzten die Forscher auf den Einsatz von mobilem IPv6 und UMTS.

Anders als in solchen Forschungsumgebungen tut sich das neue Protokoll aber im ganz normalen Markt trotz der von Pouffary und anderen Techniker beschworenen Vorzüge (und Kosteneinsparmöglichkeiten) immer noch schwer. Der entschlackte Header würde durch den Wegfall von Checksummen beispielsweise Prozessorzeit bei den durchleitenden Routern sparen. Die IPv6-typische Autokonfiguration und der durch den neuen Adressüberfluss mögliche Verzicht auf Network Adress Translation (NAT) können die Administration von Netzen extrem vereinfachen und ein sicheres "Ende zu Ende"-Prinzip wieder herstellen. Latif Ladid, Vorsitzender des IPv6-Forums sowie der Europäischen IPv6 Taskforce und seit mehreren Jahren in Sachen IPv6 unterwegs, warnte erneut vor den Einschränkungen eines "Inter-NAT". Längst, meint Ladid, hätten Peer-to-Peer-Anwendungen das Web als wichtigste Applikation abgelöst, dafür seien feste v6-Adressen für alle Netzteilnehmer notwendig.

Zahlreiche Hard- und Software-Hersteller haben sich für das neue Protokoll gerüstet, weiße Flecken gibt es aber immer noch, etwa im Bereich Firewalls und bei Mailprogrammen wie Exchange. Vor allem aber halten sich große Carrier und Provider mit dem Angebot von IPv6-Adressen noch sehr zurück. Für neue Anwendungen brauche es vermutlich auch eine neue Generation von Anwendern, heiß es leicht sarkastisch. (Monika Ermert) / (jk)