Bundesrat gegen Zentralisierung von EU-Fahndungsdatenbanken

Die Länder haben "grundsätzliche Bedenken" gegen die von der EU-Kommission geplante Errichtung einer "Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen" im Bereich innerer Sicherheit vorgebracht.

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Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am Freitag "grundsätzliche Bedenken" gegen die von der EU-Kommission geplante Errichtung einer "Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen" im Bereich innerer Sicherheit vorgebracht. In der verabschiedeten Stellungnahme (PDF-Datei) bringen die Länder zum einen formale Einwände vor. Sie erinnern dabei an einen früheren Beschluss, wonach Gemeinschaftsagenturen auf EU-Ebene nur "in begründeten Ausnahmefällen und nur nach Prüfung ihrer Notwendigkeit" nach einer genauen Kosten-Nutzen-Analyse eingerichtet werden dürften. Dies werde in der Folgenabschätzung der Kommission nicht hinreichend nachgewiesen. Prinzipiell plädiert der Bundesrat erneut für einen "Agenturstopp" in Brüssel.

Auch inhaltlich üben die Länder Kritik. Ihrer Ansicht nach genügt der Verordnungsvorschlag nicht "den Anforderungen, die sich aus den Bestimmungen für den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Gemeinschaft ergeben". Konkret bemängelt der Bundesrat, dass für die von der Zusammenführung zunächst betroffenen Datenbanken wie das Schengener Informationssystem (SIS) mit seinen allgemeinen Fahndungsdaten, das "Visa-Informationssystem" (VIS) und das "Eurodac"-Register mit Fingerabdrücken von Asylbewerbern und illegalen Einwanderern derzeit ein ganz spezielles, von der Kommission zu kontrollierendes Datenschutz-Regime besteht. So komme der Brüsseler Behörde einerseits die Aufgabe auch der Systementwicklung zu. Andererseits seien die Kontrollbefugnisse eingeschränkter als üblich, da die Kommission keinen Zugang zu den in den IT-Großsystemen verarbeiteten personenbezogenen Informationen habe.

Neben der befürchteten Aufweichung beim Datenschutz vermissen die Länder eine Klarstellung, dass der Agentur keine hoheitlichen Entscheidungskompetenzen gegenüber den von der Datenverarbeitung innerhalb des jeweiligen Systems betroffenen Personen zugewiesen würden. Der Kommissionsvorschlag beziehe zudem bislang nicht die jeweils besonderen Vorschriften ein, die rund um Zweckgebundenheit, Zugangsrechte, Sicherheitsmaßnahmen und Datenschutzanforderungen in Bezug auf die einzelnen Systeme existierten. Es sei nur eine "pauschale Regelung" zur Wahrung des informationellen Selbstbestimmungsrechts vorgesehen.

Der Bundesrat hat auf nationaler Ebene aber auch den Weg frei gemacht für die Weiterführung der umstrittenen Ausländerdatei. So hat er grünes Licht gegeben für die überarbeitete (PDF-Datei) "allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über das Ausländerzentralregister" (AZR) und eine zugehörige Durchführungsverordnung der Bundesregierung. Die Anpassungen waren nötig geworden, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Dezember die Datenbank wegen Diskriminierung in Deutschland lebender Bürger aus anderen EU-Staaten als nicht vereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht erklärt hatte.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht aber auch in den neuen Vorschriften einen Verstoß gegen EU-Recht. Sie werde den Vorgaben aus Brüssel mit Blick auf den automatisierten Abruf der Daten von EU-Bürgern etwa durch Ausländerbehörden, Bundespolizei, Staatsanwaltschaften, Zollkriminalämter oder Verfassungsschutzbehörden nicht gerecht. Generell hält es Schaar für ein Armutszeugnis, "dass 17 Jahre nach Einführung der Unionsbürgerschaft immer noch die Daten der hier lebenden EU-Bürger im AZR erfasst werden". Zulässig wäre es allenfalls, solche Daten von Angehörigen anderer Mitgliedsstaaten zu speichern, "die zur Anwendung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften im Einzelfall erforderlich sind". Dazu bedürfe es gesonderter Prüfungen. Bis Ergebnisse vorlägen, müssten die personenbezogenen Angaben "zumindest gesperrt werden". (Stefan Krempl) / (jk)