Verwaltungsgericht München: Kfz-Kennzeichen-Scanning ist rechtmäßig

Der Informatiker Benjamin Erhart ist mit seiner Klage beim Verwaltungsgericht München gescheitert. Das Gericht hält die vom Innenministerium angeführten Bestimmungen für das Kennzeichen-Scanning für ausreichend.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 151 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Das Verwaltungsgericht München hat eine Klage gegen das automatische Scannen von Autokennzeichen auf den Straßen des Freistaats abgewiesen (Az. M 7 K 08.3052). Die Kammer widersprach der Auffassung des Klägers, des Informatikers Benjamin Erhart, dass die entsprechenden Vorschriften im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) zu unbestimmt und überdies unverhältnismäßig seien. Da es zum massenhaften Scanning in Bayern aber noch keinerlei Rechtsprechung gebe, lässt die Kammer bewusst eine Berufung zu. "Es gibt durchaus gute Argumente, auch der anderen, der hier unterlegenen Seite zu folgen", meint das Gericht.

Erharts Rechtsvertreter, Patrick Breyer, einer der Hauptorganisatoren des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung, hatte in der Verhandlung argumentiert, dass in den einschlägigen Artikeln 33 und 38 des PAG nicht klarwerde, welche Datenbestände konkret für den Abgleich mit den millionenfach gescannten Kennzeichnen herangezogen werden. Es würden keine rechtlichen Normen angegeben, deren Verletzung die Autofahrer in die Trefferliste bringen können. "Der Datenbestand kann sich damit dauernd ändern", warnte Breyer.

Diese Unbestimmtheit wiege schwer, da die automatischen Scans einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und die informationelle Selbstbestimmung aller Betroffenen darstellten, sagte Breyer und verwies auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2008 gegen das Kennzeichenscanning in Hessen und Schleswig-Holstein. Auf dieses Grundsatzurteil hatte sich Erhart gestützt und gefordert, dass das Verwaltungsgericht die bayerische Regelung ebenfalls dem Bundesverfassungsgericht vorlege. Doch das Gericht hielt die von den Vertretern des Bayerischen Innenministeriums angeführten "allgemeine Bestimmungen" für ausreichend.

Auch in der Frage, ob die Bürger über das Scannen informiert werden müssten, entschieden die Richter im Sinne des beklagten Freistaats. Da nach der bayerischen Regelung die Videodaten von Fahrzeugen, bei denen es keine Übereinstimmung mit Inpol-Fahndungsdaten gebe, sofort und spurlos gelöscht werden, entstehe keine Benachrichtigungspflicht für jedermann. Der Eingriff in Persönlichkeitsrechte und informationelle Selbstbestimmung sei damit gering, erläuterte das Gericht. Wer im Netz hängenbleibt, könne im Rahmen der weiteren, dann offenen Polizeimaßnahmen seine Rechte wahrnehmen. Falsche Treffer, vor denen der Kläger in seiner Klageschrift auch gewarnt hatte, kamen dabei nicht eigens zur Sprache. Der Kennzeichenabgleich auf Bayerns Straßen sei noch nicht mehr als stichprobenhaft, urteilte das Gericht mit Blick auf die Zahl der Anlagen.

Aktuell betreibt die bayerische Polizei laut Auskunft eines Polizeivertreters 22 Anlagen an 12 festen Standorten und zusätzlich eine mobile Anlage. Zwei weitere mobile Anlagen seien derzeit nicht in Betrieb. Durch das Scanning sollen nach Angaben der Polizei Terroristen oder potenzielle Attentäter verfolgt, und nicht, wie im Bayerischen Landtag verschiedentlich befürchtet, ausländerrechtliche Maßnahmen durchgesetzt werden können. Die Anlagen würden bevorzugt entlang von "Kriminalitätsrouten" installiert. Eine umfängliche Statistik zu den Fahndungserfolgen gibt es allerdings nicht. In der Antwort auf eine Anfrage (PDF-Datei) des SPD-Landtagsabgeordneten Florian Ritter im Jahr 2007 wurden neben Autodiebstahl, Trunkenheit, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz auch Grenzfahndungen und Aufenthaltsermittlungen angegeben.

Erhart und sein Anwalt erklärten heute, sie prüften eine Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Schon bald werde es eine weitere Klage gegen das Kennzeichen-Scanning in Baden-Württemberg geben. Laut einer vom ADAC in Auftrag gegebenen Studie des Datenschutzexperten Alexander Roßnagel zu den Regelungen in verschiedenen Bundesländern sind fast alle existierenden Gesetze in Teilen verfassungswidrig. (Monika Ermert) / (anw)