EU-Petition setzt sich für ein offenes Internet ein

Kurz nach dem Bekenntnis der US-Regulierungsbehörde zur Netzneutralität fordern Aktivisten im Vorfeld neuer Verhandlungen über das EU-Telecom-Paket in Brüssel die Durchsetzung vergleichbarer Prinzipien.

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Kurz nach dem Bekenntnis der US-Regulierungsbehörde zur Netzneutralität fordern Aktivisten und Bürgerrechtsorganisationen die Durchsetzung vergleichbarer Leitlinien zur Gewährleistung eines offenen Internet in Europa. Im Vorfeld neuer Verhandlungen über das EU-Telecom-Paket in Brüssel haben sie dazu eine Online-Petition zur Unterzeichnung freigegeben. Die Forderungen lehnen sich sehr eng an die inzwischen sechs Netzneutralitäts-Prinzipien der Federal Communications Commission (FCC) an.

Konkret macht sich die Petition für das Recht stark, dass Internetnutzer auf Inhalte ihrer Wahl zugreifen, sie senden und empfangen dürfen. Sie sollen Anwendungen und Dienste frei benutzen und ausführen können. Einzuschließen sei jede Hard- oder Software, solange sie das Netzwerk nicht schädige. Nutzern soll ferner die Möglichkeit zugesprochen werden, zwischen Netzwerk-, Anwendungs-, Service- und Inhalte-Anbieter frei zu wählen. Dazu kommen die beiden neuen FCC-Forderungen nach "Diskriminierungsfreiheit" und Transparenz: Netzbetreiber dürften so bestimmte Anwendungen oder Dienste nicht blockieren und spezielle Sender oder Empfänger nicht vom Datenverkehr ausschließen. Provider müssten eingesetzte Praktiken zum "Netzwerk-Management" offen legen. Nutzern soll ein Recht auf einen Anschluss mit festgelegtem Datendurchsatz und ebensolcher Qualität zuerkannt werden.

Der Antrag aus der Internetgemeinde fällt mitten in die Zeit der Vorbereitung des Vermittlungsverfahrens zwischen dem EU-Parlament und dem EU-Rat über die Neufassung der Regulierung des Telekommunikationsmarktes. Dieses ist nötig geworden, da die Abgeordneten in 2. Lesung einen vorherigen Kompromiss mit den Mitgliedsstaaten zu Internetsperren bei wiederholten Rechtsverletzungen gemäß dem Modell der "abgestuften Erwiderung" platzen ließen. Die Parlamentarier sprachen sich demgegenüber dafür aus, dass Eingriffe in die Grundrechte der Nutzer wie ein "Abknipsen" vom Netz nur per Gerichtsentscheidung verhängt werden dürfen.

Die erste Verhandlungsrunde im angestrebten Einigungsprozess ist für kommende Woche hinter verschlossenen Türen geplant. Die 27 Teilnehmer der Parlamentsseite dafür stehen fest, wie die Bürgerrechtsvereinigung "La Quadrature du Net" ausführt. Für Deutschland sitzen demnach Angelika Niebler (CSU) und Herbert Reul von der CDU, Matthias Groote für die SPD und die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin im Vermittlungsausschuss. Beim ersten Treffen soll zunächst die Verhandlungsmasse ausgelotet werden. Die Parlamentsverwaltung sowie die schwedische Ratspräsidentschaft haben sich dafür ausgesprochen, aus dem Paket nur die Rahmenrichtlinie mit der umstrittenen Formulierung zum Grundrechtsschutz neu zu verhandeln. Bürgerrechtler und Oppositionsparteien wie die Grünen setzen sich dagegen dafür ein, auch die Zugangsrichtlinie und die darin enthaltenen Bestimmungen zur Netzneutralität noch einmal anzugehen.

Gemäß dem aktuellen Kompromiss aus der 2. Lesung müssen Anbieter die Nutzer über eingesetzte Verfahren zum "Verkehrsmanagement" nur informieren. Vor zu starken Begrenzungen einzelner Applikationen wie zum Beispiel Filesharing oder Internet-Telefonie soll vor allem der Markt die Verbraucher bewahren. Zusätzlich könnten die nationalen Regulierer Mindestanforderungen an die zu erbringende Qualität von Diensten aufstellen. Es sei entscheidend, diese für die Netzneutralität "schädlichen" Bestimmungen noch einmal zu diskutieren, betont "La Quadrature du Net". Es gehe um die Zukunft eines offenen Internets für Europa.

Der Vorsitzende der "Telecom Working Group" im EU-Rat, der Tscheche Filip Svab, ist Berichten zufolge übrigens jüngst zum US-Konzern AT&T gewechselt. Er leitete zuvor unter der zur Jahresmitte ausgelaufenen tschechischen Ratspräsidentschaft die Gespräche mit dem Parlament und der EU-Kommission vor der 2. Lesung des Pakets. AT&T hatte sich gemeinsam mit großen europäischen TK-Konzernen einschließlich der Telekom-Tochter T-Mobile (PDF-Datei) für eine Abschwächung der Prinzipien für ein offenes Internet und mehr Freiheiten der Netzbetreiber zum "Management" ihrer Ressourcen eingesetzt und sich mit dieser Linie zunächst auch durchgesetzt. (Stefan Krempl) / (pmz)