"Wir brauchen in Deutschland keine Geheimpolizei"

Die vom Bundesinnenministerium geplante Verquickung von Polizei- und Verfassungsschutzarbeit stößt auf Widerstand in der Politik und der organisierten Polizei. Sowohl die GdP als auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter äußerten deutliche Kritik.

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Von
  • Detlef Borchers

Die angeblich geplante Zusammenlegung von Polizei und Verfassungsschutz stößt auf den Widerstand der organisierten Polizei. Sowohl die Gewerkschaft der Polizei (GdP) als auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) äußerten deutliche Kritik an einem Konzeptpapier des Bundesinnenministeriums, das seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Auch SPD, FDP und Grüne kritisierten die Pläne.

Hinter den Kulissen ist die Aufregung groß. Das Konzeptpapier, aus dem die Süddeutsche Zeitung zitiert, wird von allen Seiten als Eingriff in den Wahlkampf interpretiert. "Das ist eine einzige Aufforderung, bloß nicht CDU/CSU zu wählen", grantelte ein ranghoher Polizeibeamter gegenüber heise online. "Irgendwelche Bürokraten, die ab Sonntag sowieso nicht mehr im Amt sind, missbrauchen die Kritik an der Polizeiarbeit zu wahltaktischen Manövern."

Auch die verschiedenen Polizeiverbände kritisierten offiziell die Inhalte des Konzeptpapiers. Klaus Jansen vom Bund deutscher Kriminalbeamter wird in einer Pressemitteilung deutlich: "Wir brauchen in der Bundesrepublik Deutschland keine Geheimpolizei." Während Polizei wie Verfassungsschutz verdeckt ermittelten, unterliege die Polizeiarbeit der Überprüfbarkeit durch den betroffenen Bürger. Dieser wichtige Unterschied zum Verfassungsschutz (der in den einzelnen Bundesländern von G10-Kommissionen beaufsichtigt wird) dürfe nicht aufgegeben werden. Konrad Freiberg von der Gewerkschaft der Polizei stellte in einer Mitteilung fest, dass die bewährte Sicherheitsstruktur nicht leichtfertig in Frage gestellt werden sollte. "Im Übrigen sollte man zunächst das Wahlergebnis abwarten, um danach zu wissen, mit welchem Gesprächspartner man es zu tun hat", bemerkte der Gewerkschafter.

Wahlkampfbedingt heftige Reaktionen kamen von den politischen Parteien. Auf Seiten der FDP kündigte der Rechtsanwalt Gerhard Baum eine Verfassungsklage an, sollten die Pläne realisiert werden. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann ging direkt den Hausherrn des Bundesinnenministeriums an: Das Konzeptpapier zeige, dass Wolfgang Schäuble die roten Linien einer rechtsstaatlichen Innenpolitik überschreiten möchte. Volker Beck, sein Pendant bei den Grünen, warnte davor, dass nach der Bundestagswahl ein Anschlag auf die Bürgerrechte drohe.

Für die Piratenpartei kommentierte Uli König, der schleswig-holsteinische Parteivorsitzende, den Vorgang. Er wolle Herrn Schäuble gerne an seinen Amtseid erinnern, in dem dieser gelobt hatte, das Grundgesetz zu verteidigen. Weiter heißt es in der Stellungnahme der jungen Partei: "Für die Piratenpartei besteht das strikte Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten in Deutschland aus gutem Grund, da in der deutschen Geschichte insbesondere Inlandsgeheimdienste durch ihre Methoden bei der Bekämpfung Oppositioneller den Staat als Ganzes delegitimiert und in Misskredit gebracht haben." Die Linkspartei orientierte sich in ihrer Stellungnahme gleich am Kommunistischen Manifest: "Ein Gespenst geht um in Europa..."

Im Bundesinnenministerium werden die bekanntgewordenen Pläne unterdessen heruntergespielt. "Es war und ist üblich, dass zur Vorbereitung auf die nächste Legislaturperiode in allen Abteilungen am Ende einer Wahlperiode die Referatsleiter in einer Stoffsammlung die erledigten und noch offenen fachlichen Punkte aus ihrer Sicht zusammenstellen. Dies dient ausschließlich dem eigenen Überblick der betroffenen Arbeitseinheiten. Auch die Referate der Sicherheitsabteilung des BMI waren beauftragt, eine solche Stoffsammlung zu erstellen. Es handelt sich um eine interne Aufzeichnung erledigter und offener Themen", erklärte Staatssekretär August Hanning in einer BMI-Mitteilung den Status des Papiers. Die Zusammenlegung von Polizei und Verfassungsschutz sei keineswegs eine Politik des Bundesinnenministeriums, so Hanning weiter.

Ungeachtet der wahlkampfbedingten Aufregung häufen sich die Indizien, dass nach der Wahl ein großes Revirement bei den Sicherheits- und Polizeibehörden geplant ist. Anfang September berichtete der Behörden-Spiegel von Plänen des Innenministeriums, die SPD-Mitglieder und Amtsleiter Jörg Ziercke (Bundeskriminalamt), Heinz Fromm (Verfassungsschutz) und Ernst Uhrlau (Bundesnachrichtendienst) in der kommenden Legislaturperiode durch CDU-Mitglieder zu ersetzen. Das Blatt spekulierte außerdem darüber, dass der Innen-Staatssekretär Hanning Leiter des Bundeskanzleramtes werden und dessen Leiter Thomas de Maizière als Bundesinnenminister weiter arbeiten könnte. (Detlef Borchers) / (pmz)