Macht "Twitter" wirklich dumm? Und gibt´s dagegen keine Medizin?

Kaum ein IT-Unternehmen aus Deutschland zeigt im Microblogging-Dienst Twitter ein besonderes Engagement. Das ĂĽberrascht nicht. Die Business-Relevanz von Twitter ist nach wie vor gering.

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Von
  • Damian Sicking

Werner Winkelmann, Vorstand Euronics

(Bild: Euronics)

Lieber Euronics-Vorstand Werner Winkelmann,

die Psychologin Tracy Alloway von der schottischen University of Stirling hat gerade mit einer gewagten These für aufgeregte Diskussionen in der "Social-Media-Welt" gesorgt. Alloway behauptet nämlich kurz gesagt, dass Twitter dumm, Facebook dagegen schlau mache. Ich kann an dieser Stelle nicht auf Einzelheiten eingehen, wer unbedingt ins Detail gehen will, kann sie nachlesen. Ich muss sagen, dass mich diese Erkenntnisse einer entsprechenden psychologischen Untersuchung nicht die Spur überraschen. Ich selbst brauche dafür gar keine wissenschaftlichen Belege. Schließlich heißt es ja "Face-BOOK", und Bücher, na ja, muss ich mehr sagen? Und auf der anderen Seite ist nicht erst seit gestern bekannt, welche verheerenden Folgen es für unser Denkvermögen haben kann, wenn wir uns "einen zwitschern".

Lieber Herr Winkelmann, Sie werden sich vielleicht fragen, was das mit Ihnen zu tun hat, schließlich haben Sie – also auch Sie ganz persönlich – mit Twitter nichts am Hut. Völlig richtig. Ich würde diese Meldung aus Schottland auch gar nicht erwähnen, wenn es nicht noch immer Menschen gäbe, die meinen, Twitter sei irgendwie businessrelevant. Gerade gestern zwängte sich wieder eine Pressemitteilung durch die DSL-Leitung auf meinen Bildschirm mit der Headline "Twitter geschäftlich nutzen – Das 1&1 des erfolgreichen Zwitschern". Auch Sie und Ihre Leute von Euronics werden sich wie viele andere Firmen über alle Branchengrenzen hinweg fragen, ob man bei Twitter mitmachen muss. Bislang scheint die vorherrschende Meinung in den Firmen zu sein, dass man Twitter nicht unbedingt braucht. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls bei meinen Recherchen gewonnen, als ich im Suchfeld der Twitter-Homepage nicht nur den Namen "Euronics", sondern auch ElectronicPartner, Medimax, Comteam, Media-Markt, Expert und viele andere eingegeben habe. Entweder gab es gar keinen Treffer oder es handelte sich um einen Teilnehmer, der erkennbar nichts mit den genannten Handelsfirmen zu tun hat.

Ich habe mich an dieser Stelle mit meiner Meinung zu Twitter schon einmal in die Nesseln gesetzt. Für meine Kolumne "Twittern ist wie pupsen" vom 28. April dieses Jahres hatte ich nicht nur Beifall bekommen. Daher sollte ich vielleicht lieber still sein. Aber andererseits... Außerdem zwinge ich ja niemanden, die gleiche Meinung zu vertreten wie ich. Die Frage ist also die: Gibt es aus Unternehmenssicht eine sinnvolle Nutzung des Microblogging-Dienstes Twitter? Ja, die gibt es, und zwar genau eine: Nämlich das Bekanntmachen von besonderen Angeboten. Das können Produkte zu besonders attraktiven Preisen sein, aber auch offene Stellen. Gestern zum Beispiel meldete die Online-Stellenbörse stellenanzeigen.de, dass sie ab sofort auf Twitter Jobangebote kommuniziert. Die Internet-Projektbörse Projektwerk nutzt Twitter in ähnlicher Weise, indem sie dort IT-Freiberufler auf aktuelle Projekte aufmerksam macht.

Das ist die einzige businessrelevante Twitter-Nutzung, die mir einfällt. Was ja nicht wenig ist, gerade für Handelsfirmen wie die Unternehmen im Euronics-Verbund. Natürlich kann man bei Twitter auch andere Sachen mit eher feuilletonistischem Charakter publizieren, aber ob sich das in Umsatz und Ertrag auszahlt, wage ich sehr zu bezweifeln. Muss ja vielleicht auch nicht. Nicht der schlechteste Beweggrund ist bekanntlich Spaß. Und wenn Sie bei Euronics einen Mitarbeiter haben, der mit kenntnisreichen, amüsanten und klugen Twitter-Beiträgen etwas für die Sympathie-Note des Unternehmens tut, umso besser. Und dieser Mitarbeiter braucht auch nicht ernsthaft zu befürchten, dass er durch regelmäßiges Twittern dümmer wird. Deshalb muss er sich von seinem Arzt auch keine Medikamente dagegen verschreiben lassen. Glauben Sie mir, ich spreche aus Erfahrung. Denn ich selbst zwitschere seit April mehr oder weniger regelmäßig und konnte bei mir noch keine schleichende Verdummung feststellen. Oder handelt es sich dabei am Ende um eine Illusion und ich sollte mir gerade aus diesem Grunde Sorgen machen...?

Beste GrĂĽĂźe

Damian Sicking

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