Dell und Perot Systems: Die Flucht nach vorn?

Dass Dell bereit ist, so viel Geld für Perot Systems lockerzumachen, zeigt, wie wichtig den Texanern das Thema ist. Man kann auch sagen: wie groß die Not bei Dell ist. Und wie bewertet ein Dell-Partner wie BSH Systemhaus diesen Deal?

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Von
  • Damian Sicking

Ralf Ebken, Geschäftsführer, BSH Systemhaus

(Bild: BSH Systemhaus)

Lieber BSH-Systemhaus-Chef Ralf Ebken,

gerade hat Dell bekannt gegeben, dass es den amerikanischen IT-Dienstleister Perot Systems übernehmen werde. Natürlich stellt sich mir sofort die Frage: Was halten Sie als Chef des deutschen Dell-Vorzeigesystemhauses von dieser Aktion? Finden Sie das gut, finden Sie das richtig, hätten Sie an Stelle Ihrer Geschäftsfreunde aus Austin/Texas genauso gehandelt, und welche Folgen und Konsequenzen hat dies für Sie und Ihr Unternehmen BSH, gerade in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Dell?

Dell zahlt für Perot ungefähr das 33-Fache des Perot-Gewinns 2008 (117 Millionen Dollar, was, nebenbei gesagt, für einen IT-Dienstleister mit einem Umsatz von 2,8 Milliarden Dollar eigentlich ein bisschen wenig ist). Ein stolzer Preis. Dell bietet einen Aufschlag von mehr als 67 Prozent auf den Perot-Aktienkurs vor der Bekanntgabe der geplanten Übernahme. Dass die Dell-Manager bereit sind, so viel Geld für Perot Systems locker zu machen, zeigt, wie wichtig ihnen das Thema ist. Man kann auch sagen: wie groß die Not bei Dell ist.

Denn Dell ist nicht mehr der aggressive Angreifer früherer Tage. Hatten die Texaner in den 1990er und den ersten 2000er-Jahren die Konkurrenten vor sich her gejagt, müssen sie nun selber sehen, dass sie den Anschluss nicht verlieren. Das Erfolgsmodell von früher hat sich überlebt. Gut, so etwas kommt vor, die Erde dreht sich weiter. Aber von Dell kam und kommt nichts Neues, nichts Überraschendes, nichts, was die Konkurrenz beschäftigt und unter Zugzwang setzt. Man hat den Eindruck, dass den Dell-Managern die Ideen ausgegangen sind.

Ich frage mich, was die Übernahme von Perot Systems durch Dell sein soll. Die Flucht nach vorn? Hm, ich weiß nicht, aber um den Konkurrenten IBM und HP richtig Angst zu machen, dafür ist Perot Systems dann doch ein wenig zu klein und auch nicht breit genug aufgestellt. Vor allem außerhalb der USA sitzt Perot Systems doch eher am Katzentisch der IT-Dienstleister. Was Dell mit Perot also macht, ist nichts anderes, als so werden zu wollen wie IBM oder HP, nur eine Nummer kleiner. Man kann nur hoffen, dass sich der texanische Computerbauer damit nicht verzettelt. Denn natürlich steigt mit der Übernahme von Perot und seinen immerhin 23.000 Mitarbeitern die Komplexität des Geschäfts für die Dell-Manager enorm an. Das besondere Problem ist: Dell steht für das Gegenteil von Komplexität. Dell ist sozusagen von seinem Erbgut her auf Einfachheit programmiert.

Deshalb mag die Übernahme von Perot von der Entwicklung des Marktes her gesehen nachvollziehbar sein, von den Anlagen des Unternehmens Dell her gesehen aber falsch. Konsequent wäre es gewesen, wenn Dell sich weiterhin als reiner Gerätehersteller positionieren würde und alles daran setzen würde, auf diesem Gebiet die Nummer 1 der Welt zu werden und zu bleiben. Konzentration auf das Kerngeschäft also, Perfektionierung, Exzellenz und diese Schlagworte. Es gibt einen Markt für die Herstellung von Getränkekartons, von Hygienetüchern und von Kupplungsgetrieben, da wird es ja wohl auch einen Markt für die Herstellung von Computern geben.

Gut, aber was heißt die Übernahme des IT-Dienstleisters nun für Sie als Dell-Systemhaus? Unmittelbar sind damit keine gravierenden Auswirklungen auf Ihr Geschäft verbunden, denke ich. Aber die Perot-Übernahme durch Dell ist für mich eine weitere Bestätigung dafür, dass Dell aus Sicht des Handels einfach ein unsicherer Kantonist ist. Dell ist jetzt offenbar willens, Kompetenzen in einem Bereich aufzubauen, der von der "Gewaltenteilung" her eigentlich in Ihr Ressort fällt. In diesem Zusammenhang gewinnt das Thema "Kundenschutz" eine besondere Bedeutung, nämlich in dem Sinne "Wie schütze ich meine Kunden vor meinen Herstellerpartner?"

Das würde mich jetzt wirklich interessieren, lieber Herr Ebken, nämlich die Frage, wie die Firma Dell das Thema "Channel-Management" beherrscht, vor allem die Unterkategorie "Vermeidung von Kanalkonflikten". Dass fast jeder Hersteller heutzutage neben dem indirekten Geschäft über Partner auch Direktgeschäft macht, damit muss man leben. Und man kann auch damit leben, wenn die Regeln klar sind und von beiden Seiten auch eingehalten werden, also Hersteller auf der einen und Vertriebspartner auf der anderen Seite. Das nennt man dann Channel-Management. Niemand behauptet, dass dies einfach ist, und Unternehmen wie HP, IBM, Fujitsu Technology Solution und viele andere sowie ihre Partner haben hier viele Erfahrungen machen müssen. Wie kommt nun ein Channel-Novize wie Dell mit diesem schwierigen Thema klar? Und wie Sie mit Dell?

Beste Grüße!

Damian Sicking

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