Durch Boten

Seit elektronische Kommunikationsformen rechtsverbindlich einsetzbar sind, bieten unter anderem Notare das Zustellen von „E-Mail-Einschreiben“ als Service für ihre Klienten an – mit zweifelhaften Vorteilen für denjenigen, der gerichtsfest belegen muss, dass seine Nachricht den Empfänger erreicht hat.

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Von
  • Tobias Haar

E-Mails haben die klassische Geschäftspost weitgehend verdrängt. Auf zwei herkömmliche Übertragungswege kann aber bis heute kaum ein Unternehmen verzichten: das Telefax und das Einschreiben. Oft aus rechtlichen Erwägungen, denn manchmal möchte man einen sicheren Nachweis über den Zugang einer Nachricht haben.

Notare können mit Produkten wie eWitness eine Nachricht digital signieren und den Weiterleitungsvorgang bezeugen. Eine Kenntnisnahme seitens des vorgesehenen Empfängers belegt das allein aber nicht.

(Bild: secunet Security Networks AG)

Zwar ist dies beim Telefax angesichts der Fälschungsmöglichkeiten des Sendeprotokolls nicht der Fall, beim Einschreiben mit Rückschein jedoch schon. Es bietet – fast wie ein persönlicher Bote – die Möglichkeit, den Zugang nachzuweisen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte auch das Kuvertieren der Nachricht und die Abgabe bei der Post von einem zuverlässigen Zeugen beobachten lassen. Der kann den Vorgang selbst sowie insbesondere den Inhalt der Nachricht protokollieren und bei Bedarf vor Gericht bezeugen.

Seit einiger Zeit gibt es Anbieter sogenannter „E-Mail-Einschreiben“. Der Absender einer Nachricht schickt diese an den entsprechenden Dienstleister, der die Nachricht bei sich speichert. Der schickt dem Empfänger sodann eine Mitteilung, dass für ihn eine Nachricht hinterlegt ist. Mittels eines Codes kann der Empfänger anschließend die Nachricht vom Server des Dienstleisters abrufen. Das erfährt wiederum der Absender, und der Zugang der Nachricht soll – ähnlich verlässlich und sicher wie bei einem Einschreiben mit Rückschein – hieb- und stichfest dokumentiert sein.

Sich aber darauf zu verlassen, dass diesen beiden Verfahren dieselbe Beweiskraft hinsichtlich des Nachrichtenzugangs zukommt, ist aus juristischer Sicht bedenklich. Im schlimmsten Fall kann ein Vertrauen auf diesen Ăśbermittlungsweg zum Verlust von AnsprĂĽchen in einem Gerichtsverfahren fĂĽhren.

Zunächst muss man sich fragen, wer überhaupt den wirksamen und vielleicht auch rechtzeitigen Zugang einer Nachricht im Streitfall zu beweisen hat. Dies ist meistens der Absender der Nachricht. Nach der allgemeinen Beweisregel muss jeder die Tatsachen beweisen, auf die er sich beruft. Kommt es also auf eine fristgerechte Kündigung an, muss der Kündigende nicht beweisen, dass er das Kündigungsschreiben abgeschickt, sondern dass der Empfänger es erhalten hat – und zwar rechtzeitig.

Ein eigenhändig unterschriebener Einschreibebrief wahrt die Schriftform nach § 126 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), nicht aber eine – wie auch immer als normale E-Mail oder als E-Mail-Einschreiben – verschickte elektronische Nachricht. Nur wenn die elektronische Nachricht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, steht sie einem unterschriebenen Schriftstück gleich.

Das Gesetz verlangt eigentlich selten die Schriftform. Viele Verträge enthalten aber eine Schriftformklausel, die – wenn nicht ausdrücklich auf E-Mails oder Textform Bezug genommen wird – eben verlangt, dass wichtige Erklärungen nach dem Vertrag schriftlich, sprich mit Unterschrift und im Original zu erfolgen haben. Dies können Vertragskündigungen ebenso sein wie Abnahmeerklärungen oder Mängelanzeigen bei Entwicklungsverträgen. Dann aber reicht eine normale E-Mail nicht aus, denn die genügt nur der sogenannten Textform, nicht aber der Schriftform.

Mit seiner Unterschrift auf einem Rückschein bestätigt der Empfänger, dass ihm ein Einschreiben zugegangen ist. Es entsteht rechtlich eine Privaturkunde mit diesem Inhalt, an die ein Gericht gebunden ist, es sei denn, es liegen Umstände vor, die etwa eine Fälschung der Unterschrift oder gar des Rücksendescheins als möglich erscheinen lassen.

Aber genau hier liegt der Unterschied zum E-Mail-Einschreiben. Denn bei diesem gibt der Empfänger keine Bestätigung ab, dass ihm eine Nachricht zugestellt wurde. Nicht der Empfänger, sondern der Dienstleister bestätigt (automatisiert), dass irgendjemand die Nachricht abgeholt hat, der den richtigen Zugangscode zum Postfach eingegeben hat. Ob dies aber der vorgesehene Empfänger war, kann niemand belegen. Dass es jemand anderes war, mag unwahrscheinlich sein. Aber im Falle eines Gerichtsprozesses, bei dem die Frage des Zugangs entscheidend ist, reicht dies eben im Zweifel nicht aus.

Noch dazu ergeht die Erklärung des Diensteanbieters ja nur in Form einer – leicht zu fälschenden – einfachen E-Mail. Es liegt damit nur ein sogenannter Augenscheinsbeweis vor und keine Urkunde, sodass der Richter in seiner Beweiswürdigung frei ist und so oder anders über diesen Punkt entscheiden kann. Etwas mehr an Beweiskraft hätte diese Erklärung allenfalls dann, wenn sie der Dienstleister mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versenden würde. Dann hätte die Erklärung eine höhere Beweiskraft und würde als Privaturkunde gelten. Dies ändert aber nichts daran, dass nicht der Empfänger der Nachricht, sondern nur der Übermittlungsdienstleister eine Erklärung über den „Zugang“ der Nachricht abgegeben hat. Die rechtlichen Risiken im Streitfall bleiben also bestehen.

E-Mail-Einschreiben sind im Hinblick auf den Nachweis der korrekten Übermittlung und des rechtzeitigen Zugang zweifellos sicherer als „normale“ E-Mails. Sie stehen aber in ihrer Beweiskraft Einschreiben mit Rückschein deutlich nach. Geht es um die Übermittlung und den Zugang von bedeutenden Nachrichten oder Erklärungen, muss man wohl oder übel weiterhin das klassische Einschreiben oder einen persönlichen Boten nutzen. Wer absolut sichergehen will, muss sogar einen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragen – doch dann dürfte die Zustellung meist mehr Zeit in Anspruch nehmen, als fürs Transportieren des so dringenden Dokuments zur Verfügung steht.

Dass sich daran mit der Einführung von De-Mail und der elektronischen Signatur auf Personalausweisen in Deutschland bereits im Jahr 2010 etwas ändern wird, bleibt fraglich. Erst wenn sich De-Mail weit verbreiten sollte, wird die Bedeutung des Einschreibens eventuell signifikant nachlassen.

Tobias Haar, LL.M.,
ist Syndikusanwalt und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht. (un)