Umorientierungen, Aus für Produkte und Cloud-Fokus: SAP-Anwender sind Chaos leid

Bei SAP ist derzeit vieles in Arbeit. Inzwischen ist der Ruf der Anwender nach mehr Transparenz und Verlässlichkeit in Sachen Produktstrategie unüberhörbar.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 15 Kommentare lesen

(Bild: iX)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Achim Born

Eine umfassende strategische Neuausrichtung, Neuankündigungen, das bevorstehende Wartungsende wesentlicher Programme: Bei SAP ist vieles im Fluss. Unter dem Slogan "Work in Progress" be- und durchleuchtete die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) auf den jüngsten Technologietagen in Mannheim den aktuellen Stand der Arbeiten am Portfolio. Dabei ließen die Vereinsvorstände Sebastian Westphal und Thomas Henzler zum Auftakt anklingen, dass die Kommunikation der SAP zur Produktpolitik – freundlich formuliert – ausbaufähig sei. Die Realitäten der Anwenderunternehmen sollten in der Strategie wieder stärker berücksichtigt werden, heißt es.

Gerade vor dem Hintergrund des Aus vieler Lösungen fordern die DSAG-Vertreter nachdrücklich Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Produktstrategie. Schließlich mussten sich die Anwender in jüngerer Zeit auf einige abrupte Richtungswechsel einstellen – sei es in Form von Ausgliederungen wie SAP Fioneer (Finanzindustrie) oder Business ByDesign (Cloud-ERP) oder Rückzugs wie bei der Krankenhauslösung IS-H. Selbst bei so manchen zunächst von SAP als Innovation gepushten Cloud-Dienst (IoT, KI etc.) mussten die IT-Abteilungen in den Anwenderunternehmen gegenüber ihren Fachkollegen zurückrudern, da der Hersteller sich plötzlich neu orientierte.

Durch die starken Veränderungen im Portfolio allgemein sind die Themen wie eine einfache Migration, Integrationsfähigkeit, Datenschutz und IT-Sicherheit bei den SAP-Anwendern relevanter denn je. Ein Grundübel dabei: Auch heute vermissen sie so manch liebgewonnene Funktionalität in der neuen SAP-Produktwelt und hoffen zeitnah auf eine vollständige Funktionsgleichheit. Zeitnah kann dabei durchaus schon einmal acht Jahre bedeuten, wie das Beispiel S/4HANA zeigt. Die 2015 im Markt eingeführte ERP-Generation wird erst diesen Oktober einen finalen Status erlangen. Die lückenhafte Kompatibilität zum traditionellen ERP-System ließ respektive viele Unternehmen mit dem Umstieg zögern.

Die Zeit wird allerdings knapp. Denn 2027 beziehungsweise 2030 (gegen Zusatzgebühr) läuft die Wartung der vorigen Produktwelt unerbittlich aus. Von dem Aus betroffen ist nicht nur das ERP-System, sondern ebenso wichtige unterstützende Anwendungen. Welche Probleme damit verbunden sein können, zeigt sich bereits an vermeintlich überschaubaren Features wie dem Adobe Document Service (ADS), mit dem sich beispielsweise in der Produktion Etiketten mit geringer Latenz drucken lassen. Dessen Basis – die traditionelle Plattform Netweaver (konkret der Java-Stack) – wird 2027/30 abgeschaltet und ein Nachfolgeprodukt gibt bislang lediglich in der Cloud. SAPs Cheftechniker Jürgen Müller versprach, in Kürze ein Konzept für die On-Premises-Welt vorzustellen.

Als weitere Baustellen der SAP-Welt wurden in Mannheim die Themen Applikationsmanagement und Integration identifiziert. "Für die Ablösung des Solution Managers als dem zentralen Element heutiger SAP-Architekturen bedarf es eines Cloud-Application-Lifecycle-Management-Produkts mit identischem Leistungsumfang und einer verlässlichen Roadmap sowie entsprechenden Migrationspfaden", so Westphal. Gleiches gelte für die Migration von der Process Integration/Process Orchestration (PI/PO) auf die Integration Suite. Mit dem kürzlich erfolgten Launch der Migration-Assessment-App gibt es immerhin für PI/PO eine erste Hilfestellung. Grundsätzlich bemängelten die DSAG-Vertreter gerade für mehrstufige, hybride SAP-Landschaften das Fehlen eines einheitlichen Test- und Transportwesens sowie übergreifender Betriebs- und Monitoring-Prozesse. Dies sei in vielen Cloud-Plattformen noch nicht ausreichend berücksichtigt und bremse die Adaption der neuen Produkte beziehungsweise Services der BTP (Business Technology Platform) entsprechend aus.

Zu einer Großbaustelle im Kontext der Cloud mutiert die Lizenzfrage. Die zunehmende Modularisierung von Lösungen, die zuvor im ERP enthalten waren und nun zum Teil über die BTP getrennt vermarktet werden, lässt die Komplexität bei Lizenzierung und Verwaltung steigen. Dies führt im Endeffekt dazu, dass Anwenderunternehmen mit unterschiedlichen SAP-Vertrieblern und teilweise unterschiedlichen Lizenzmetriken konfrontiert werden. Es droht die Gefahr stark steigender Kosten für SAP-(ERP)-Landschaften. Das gilt gleichfalls aufgrund der fehlenden Konzepte beziehungsweise Lösungen für Entwicklungs- und Testsysteme auf der BTP – denn um eine Mehrstufigkeit nach derzeitigem Stand zu erreichen, muss ein Service teils mehrfach lizenziert werden. Dabei gibt es zumindest offiziell derzeit noch keine Unterscheidung, ob ein Dienst produktiv oder nur zu Testzwecken genutzt wird. Dringen wird daher aus DSAG-Sicht eine ganzheitliche Preispolitik in der Cloud benötigt, mit zugehörigen, auch nach unten skalierbaren Lizenzmodellen.

(fo)