Nomen est Noten
Lehrer lassen sich bei der Bewertung der SchĂĽler vom Vornamen beeinflussen. Besonders der Name "Kevin" ruft offenbar die Wahrnehmung eines enfant terrible hervor. Das entlarvt die Master-Arbeit von Julia Kube, die dazu Lehrer online befragte.
- Sven Koch
Ich wusste es. Ich habe es immer gewusst. Eigentlich war ich in der Schule gar nicht so schlecht. Kein MusterschĂĽler, mehr so der Typ "verkanntes Genie". Wenn dann aber doch mal der Mathelehrer mit rechtwinkligen Strichen eine rote 4 unter meine neu entdeckten Formeln schrieb, war mir klar: der mag mich nicht.
Jetzt habe ich die Gewissheit. Eine Studie der Universität Oldenburg hat entlarvt, dass Lehrer sich bei der Notenvergabe unbewusst vom Vornamen des Schülers beeinflussen lassen. Das hat Julia Kube bei ihrer Master-Arbeit herausgefunden, nachdem sie Grundschullehrer befragt und 500 Fragebögen ausgewertet hat. Bei der Online-Befragung konnten sie angeben, mit welchen Namen sie eher schlechtere oder eher bessere Eigenschaften der Schüler verbinden.
Demnach hätte ich, um bessere Noten zu bekommen, wohl Alexander, Jakob, Maximilian, Lukas oder Simon heißen sollen. Denn nach Kubes Erkenntnis verbinden die Lehrer mit diesen Namen Freundlichkeit, Leistungsstärke und Verhaltensunauffälligkeit. Na ja, dann werde ich den Schwarzen Peter meinen Eltern zuschieben müssen, die sich nun mal für "Sven" entschieden.
Daran lässt sich heute nichts ändern, und ich wette, dass meine Mutter ihre damalige Entscheidung mit entwaffnenden Weisheiten wie "Das war damals modern" oder "Wieso, der ist doch schick?" begründen kann. Dann sollte ich wohl mal mit alten Klausuren unterm Arm meinem alten Mathelehrer einen Besuch abstatten. Vielleicht plädiere ich einfach auf höhere Gewalt und kann damit meine Ehre wiederherstellen.
Aber Glück im Unglück hatte ich doch, denn mit den Namen Justin, Maurice oder gar Kevin wird offenbar genau das Gegenteil verbunden. Besonders letztgenannter scheint es nicht ganz leicht zu haben, kommentiert eine Lehrkraft doch: "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose!". Auch die Mädels kommen nicht immer gut weg, besonders wenn sie Angelina, Chantal oder Mandy heißen. Warum aber die Namen Charlotte, Hannah, Marie und Sophie bei den Lehrern gut ankommen und mit positiven Merkmalen verknüpft werden, weiß wohl niemand so genau.
Aber der Name ist nicht der einzige Einfluss auf die objektive Beurteilung der Lehrkräfte. So wurde bereits festgestellt, dass es Jungen schon im Kindergarten schwerer haben, da der Anteil männlicher Erzieher weit unter zehn Prozent liegt. Kindergärtnerinnen bevorzugen offenbar Mädchen, das klingt nachvollziehbar. Jungen kommen auch schon daher etwas zu kurz, da es gerade zur Zeit der frühen Entwicklung kaum technische Experimente und Spiele gibt. (Welche Ansätze zur Besserung es da bereits gibt, erfahren Sie übrigens in der neuen Bildungsserie, die im Oktober-Heft von Technology Review mit dem Vorschulbereich startet.)
Ist die Zeit aber einmal überstanden, geht es in der Schule weiter. Für diese Bildungsphase belegt eine US-Studie, werden gute Noten besonders durch ein gepflegtes Erscheinungsbild begünstigt. Und jetzt also auch noch der Name. Wir können ja den Kindern kaum Schilder mit Zahlenkombinationen auf das Hemd kleben, damit der Lehrer bei der Bewertung eines Diktates nicht auf den Namen schließen kann.
Was also tun, um dem Kind nicht schon durch die Namensgebung einen Karriereklotz ans Bein zu binden? Werdende Eltern sollten sich gründlich Gedanken um den künftigen Namen machen, gerade im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Studie. Und wenn es dafür schon zu spät ist und klein Kevin etwas geknickt mit einer 5 nach Hause kommt, dann spenden Sie Trost und Nachsicht, Sie könnten nämlich daran mit schuld sein.
(bsc)