Whois für Big Brother 2003

Heftiger Streit zwischen Domain-Registraren, Datenschützern sowie Bürgerrechtlern und US-Offiziellen entbrannte um Vorstellungen zum Umgang mit den Daten über Inhaber von Domains und IP-Adressen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 79 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Heftiger Streit entbrannte zwischen Domain-Registraren, Datenschützern sowie Bürgerrechtlern auf der einen und US-Offiziellen auf der anderen Seite um Vorstellungen zum Umgang mit den Whois-Daten über Inhaber von Domains und IP-Adressen -- bis hin zu Vorwürfen, mit dem Whois-Protokoll solle George Orwells Big Brother auf den technisch neuesten Stand gebracht werden. Ein Vertreter des US-Justizministeriums bezeichnete jedenfalls jegliche Einschränkung des öffentlichen Zugangs zu den Whois-Daten aus Datenschutzgründen als ernsthafte Behinderung der Strafverfolgung.

Bei einer Podiumsdiskussion beim ICANN-Treffen in Montreal sagte John LoGalbos vom US-Justizministerium: "Die Strafverfolger brauchen einen offenen Zugang zu den Whois-Daten, um Kriminalität wie Betrug, Piraterie, Kinderpornografie und auch Hacking zu bekämpfen." Datenschutzgesetzgebung, die diesen Zugang erschwere, beruhe auf einer "rückwärtsgerichteten Analyse" und landete damit einen Seitenhieb gegen die von EU-Vertretern geäußerte Position.

Das von einer Mehrheit der Beteiligten favorisierte System abgestufter Zugriffsrechte auf die Whois-Informationen zu Inhabern von Domains und IP-Adressen im Internet-Namensraum lehnte LoGalbos ab, da es die Behörden anders als jetzt zu geregelten juristischen Auskunftsverfahren verpflichten würde. "Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob man eine Auskunft per einstweiliger Verfügung bekommt oder durch direkten Zugang zur Datenbank." Die juristischen Mühlen mahlten meist zu langsam, vor allem auch, wenn es um grenzüberschreitende Verfahren gehe.

Die beiden scheidenden, von den Nutzern gewählten ICANN-Direktoren Andy Müller-Maguhn und Karl Auerbach kritisierten LoGalbos' Vorstellungen scharf und erinnerten beide an Georg Orwell, der am gestrigen Mittwoch seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte: "Wenn Orwell hier gewesen wäre, hätte er wohl ein Update von 1984 auf 2003 gemacht. Was wir hier hören, ist nichts anderes, als dass die Bürgerrechte, die hart erkämpft wurden, ausgehebelt werden, nur weil es bequem ist." Wendy Seltzer von der Electronic Frontier Foundation fragte: "Warum sollen rechtmäßige Verfahren in der Online-Welt enden?"

Auch LoGalbos Seitenhieb auf unzeitgemäßen Datenschutz, der überprüft werden müsse, wenn er die notwendigen Daten unzugänglich mache, traf auf Widerspruch. Amadeu Abril i Abril, ebenfalls scheidender ICANN-Direktor, riet im Gegenzug, die US-Gesetzgebung datenschutzrechtlich zu verbessern. Die Vertreterin der EU-Kommission, Diana Alonso Blas, riet den europäischen Domain-Registraren von den ICANN-Verträgen in der aktuellen Form ab, da sie mit europäischem Datenschutzrecht nicht vereinbar seien. Tom Keller, der für den deutschen Hoster Schlund und Partner Mitglied im für allgemeine Top Level Domains (gTLD) zuständigen Gremiums (GNSO) ist, betonte: "Ich betrachte Datenschutz nicht als einen zusätzlichen Service, für den ich als Privatperson bezahlen muss. Ich halte das für ein ganz natürliches Recht."

Während Europas Länderdomain-Registrare bereits verschiedene Modelle zur Umsetzung von Datenschutzbestimmungen in Angriff genommen haben, bleibt den gTLD-Registraren nur eine Neuverhandlung der ICANN-Verträge und die Hoffnung, dass sich die Idee flexibler Modelle für einen abgestuften Whois-Zugang durchsetzt. Eine spezielle TLD für nichtkommerzielle, datenschutzfreundliche Domains halten die meisten Registrare nicht für sinnvoll. (Monika Ermert) / (jk)