Widerstand zwecklos

Zu der wuchernden Vielfalt an Google-Diensten gesellt sich nun auch eine Hilfstruppe für Nutzer, die Google verlassen möchten - wenn zu viele Nutzer raus wollen, passieren allerdings merkwürdige Dinge.

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Von
  • Peter Glaser

Seit September gibt es bei Google eine Data Liberation Front. Das in Chicago ansässige Team von Google-Ingenieuren hat sich in Anspielung auf den Monty Python-Film "Das Leben des Brian" nach der Splittergruppe "Volksfront von Judäa" benannt ("Die einzigen, die wir noch mehr hassen als die Römer ... sind die von der scheiß Judäischen Volksfront"). Die Datenbefreier vom Dienst sehen sich selbst "als ein bisschen subversiv, nicht so sehr innerhalb von Google, als vielmehr, weil es für ein großes Unternehmen ungewöhnlich ist, dass Mitarbeiter sich damit beschäftigen, es für Kunden einfacher zu machen, die Angebote des Unternehmens wieder zu verlassen".

Es ist den namenlosen Mitgliedern der Data Liberation Front eine Herzensangelegenheit, einfache Import- und Export-Funktionen fĂĽr die von den Nutzern bei Google hinterlegten Daten zu schreiben, um bei Bedarf einen Daten-Umzug zu einem Nichtgoogledienst zu erleichtern. Das "mission statement" der Datenbefreier: "Nutzer sollten die Kontrolle ĂĽber alle Daten haben, die sie in einem Google-Angebot speichern. Mit unserem Team wollen wir es fĂĽr sie einfacher machen, ihre Daten rein und raus zu bewegen." Damit stellt man bei Google erst einmal klar, dass auch der Gestus von Subversion und Widerstand der unendlichen GroĂźherzigkeit des Suchmaschinengiganten nicht widerstehen kann und einkassiert wird.

Der scheinbar paradoxe Kurs erinnert an Zigarettenkonzerne, die Nichtraucher-Pädagogik bezahlen, um ihr schlechtes Image aufzubessern. Längst mehren sich die kritischen Stimmen, die Google als ein gewaltiges schwarzes Loch sehen, in dem Daten verschwinden. Die Firma gilt vielen inwischen als ein Behemot, dem Intransparenz, Zensur und Monopolbestrebungen angelastet werden. Auch Google-CEO Eric Schmidt hat sich Gedanken dazu gemacht und spricht sich nun dagegen aus, die Nutzer einzusperren: "Wie kann man groß sein, ohne böse zu sein? Wir sperren die Nutzer nicht ein. Wenn Sie Google nicht mögen, wenn Sie – aus welchen Gründen auch immer – finden, dass wir schlechte Arbeit machen, machen wir es Ihnen einfach, zur Konkurrenz zu gehen."

Tatsächlich?

Einer der Dienste, mit denen Google nicht so recht glücklich wird, ist Orkut. Das soziale Netzwerk hat dem Siegeszugs von Facebook wenig entgegenzusetzen, aber in einigen wenigen Ländern wie Brasilien oder Indien spielt es immer noch eine tragende Rolle bei der Freundschaftsvernetzung. Anfang Oktober berichtete MG Siegler in dem Blog Techcrunch, dass Facebook auch in Indien auf dem Vormarsch ist. Unter anderem wird damit geworben, dass man seine Orkut-Kontaktliste mit einem speziellen Tool ganz einfach importieren könne. Allerdings funktioniert der Daten-Export bei Orkut seit ein paar Tagen nicht mehr. Zufall?

Letztes Jahr hatte Facebook umgekehrt Googles "Friend Connect" blockiert und dem Dienst, der Verbindungen zwischen Nutzern verschiedener sozialer Netze und anderer Websites ermöglichen soll, den Zugriff auf Profile von Facebook-Nutzern verwehrt. Kriegt es Facebook nun heimgezahlt? "Ich habe so das Gefühl, dass es von Google-Seite offiziell heißen wird, es handle sich um einen 'Bug'", schreibt Siegler. "Betrachtet man aber das Timing und die Tatsache, dass gleich zwei verschiedene Möglichkeiten plötzlich nicht mehr funktionieren, seine Kontaktdaten zu exportieren, bin ich nicht sicher, ob das richtige Wort nicht vielleicht 'Heuchelei' ist."

Und dann: "Update: As expected, Google is calling this a 'bug'." Einer Notiz im Blog der Data Liberation Front zufolge habe man bei Google, während gerade "zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zu Orkut Friends Export hingefügt wurden", unabsichtlich dafür gesorgt, dass das ganze Feature nicht mehr funktioniert. (bsc)