Der Gencode-Reader
IBM entwickelt einen Chip, der mit Hilfe von "DNA-Transistoren" und Nanoporen die Sequenzierung des Genoms drastisch beschleunigen und vereinfachen soll.
- Katherine Bourzac
Von einigen Dutzend Erdenbürgern ist bereits das vollständige Genom sequenziert worden. Doch auch wenn sich diese Arbeit inzwischen viel schneller erledigen lässt als zu Zeiten zu Humangenom-Projekts, ist die Entschlüsselung der eigenen Gene noch immer ein gutes Stück von einer kommerziellen Dienstleistung entfernt. Etliche Unternehmen arbeiten allerdings mit Hochdruck daran, den Preis einer Sequenzierung von damals drei Millionen Dollar auf unter 1000 Dollar zu drücken. Und auch IBM mischt dabei mit: Der IT-Konzern entwickelt derzeit einen Chip, der das Auslesen der Basenpaare drastisch beschleunigen und vereinfachen soll.
Er besteht aus mehreren Schichten von Elektroden und enthält drei Nanometer große Poren. Durch die soll dann ein kompletter DNS-Strang hindurchgeführt werden. Die Elektroden sollen dabei zum einen die Bewegung steuern und zum andern ermitteln, welches der vier möglichen Basenpaare gerade die Pore passiert.
Im Unterschied zu bisherigen Verfahren müsste die DNA beim Nanoporen-Ansatz nicht mit Enzymen in Teilstücke zerlegt werden, die mit speziellen Molekülen markiert werden. „Wenn das funktioniert, können sie Zehntausende von Basenpaaren ohne Marker auslesen. Das ist billig und schnell“, sagt Jeffery Schloss, Programmdirektor für Technikentwicklung am National Human Genome Research Institute der USA. Und das aufwändige Rekonstruieren, welche Teilstränge wie zusammengehören, würde entfallen, so Schlosser.
Zwar gibt es verschiedene Konzepte, mit Hilfe von Nanoporen die DNA Basenpaar für Basenpaar zu sequenzieren. Eines der größten Probleme ist aber bislang ungelöst: Wie steuert man effektiv Geschwindigkeit und Bewegung des Riesenmoleküls? Hier setzt die IBM-Gruppe an. „Normalerweise läuft die DNA zu schnell durch die Pore“, sagt Gustavo Stolovitzky , Biologe am T. J. Watson Research Center von IBM. Seine Gruppe hat deshalb in den vergangenen zwei Jahren Chips entwickelt, die „DNA-Transistoren“ enthalten. Die lassen sich mit demselben Verfahren fertigen wie integrierte Schaltkreise auf Computerchips.
Zuerst werden leitende und halbleitende Materialien auf einem Silizium-Untergrund aufgebracht. Die Schichten sind dabei drei Nanometer dick. Mit einem Transmissions-Elektronenmikroskop werden dann winzige Löcher in das Material-Sandwich hineingebohrt. Der fertige Chip wird anschließend in der Mitte eines kleinen Behälters mit einer Kaliumchlorid-Lösung platziert. In die obere Hälfte gibt man DNA-Moleküle hinein. Weil DNA entlang ihrer gewundenen Struktur elektrische Ladungen trägt, reagiert sie auf elektrische Felder. Legt man im Behälter durch den Chip eine Spannung an, kann man damit die Bewegung des Moleküls durch eine Pore steuern.
Das Grundkonzept wird zurzeit von Stolovitzkys Gruppe verfeinert. Dabei variieren die Forscher die Elektrodendicke, den Porendurchmesser und die Höhe der Spannung. Um nicht jeden Chip mit einer etwas anderen Kombination dieser Parameter einzeln herstellen zu müssen, wird er in einem Blue-Gene-Supercomputer simuliert. Das Software-Modell berechne pro Picosekunde das Verhalten von 200.000 Atomen (Billionstel Sekunde), erläutert Stolovitzky.
Ziel ist, jedes Basenpaar in dem Moment zu erfassen, in dem es die Pore passiert. Die Steuerelektronik soll deshalb zugleich auch die elektrische Signatur der vier verschiedenen Basen messen, die – paarweise angeordnet – den genetischen Code bilden.
„Wir betrachten das Ganze als Datenproblem“, sagt IBM-Forscher Stephen Rossnagel . Wer zurzeit ein Genom sequenziere, müsse drei Gigabit durcheinander gewürfelter Daten in die richtige Reihenfolge bringen. Die DNA-Transistoren könnten dem ein Ende machen. Mehr noch: Weil viele von ihnen auf einen Chip passen, könnten DNA-Moleküle eines Menschen mehrfach ausgelesen werden. Damit verbessere sich die Qualität des Ergebnisses, falls an einigen Stellen in einzelnen Poren Lesefehler aufträten. Und weil der IBM-Chip bekannte Halbleitertechnik nutze, könnte er in die übliche Mikroelektronik integriert werden, die die Daten auswertet, so Rossnagel.
Jeffery Schloss hält das IBM-Konzept für Erfolg versprechender als andere Ansätze. Die eigneten sich nämlich nicht unbedingt zum Sequenzieren. So würden einige Gruppen versuchen, den DNS-Strang beim Durchgang durch eine Nanopore mit zusätzlich angehefteten Molekülen zu verlangsamen. Andere würden mit Hilfe eine Enzyms jedes Basenpaar abschneiden, um es dann einzeln durch die Pore zu schicken. „Die Steuerung mittels Mikroelektronik könnte sich da als praktikabler und genauer erweisen“, meint Schloss.
(nbo)