Das Galaxy S23 Ultra lügt uns alle an (und warum das ok ist)

Samsungs Galaxy-Smartphones erfinden nicht nur Mondkrater, sondern auch Zähne in Kindermündern – will man das? c't 3003 hat genauer nachgeschaut.

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Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Dass Samsungs-Smartphone ab dem Galaxy S20 womöglich mit ihrer "Szenenoptimierung" Dinge hinzuerfinden, wird schon seit längerem debattiert. Vor allem erhitzt sich die Diskussion um Mondfotos, aber auch anderswo interpretiert Samsung recht freigiebig Bilddetails. c't 3003 hat sich die Technik genauer angeschaut.

(Hinweis: Es handelt sich hier um einen Bonusinhalt für Menschen, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Die Informationen auf der Bildspur gibt das Transkript nicht wieder.)

Guckt mal hier, das ist Samsungs Flaggschiff-Handy, das Galaxy S23 Ultra. Und das ist auch ultra schnell und macht ultra gute Fotos. Zumindest gilt es als eines der besten Foto-Smartphones auf dem Markt, wenn nicht sogar als das Beste. Bei Mrwhosetheboss gewinnt es zum Beispiel in Sachen Fotos gegen das iPhone 14 Pro Max.

Aber das S23 Ultra macht auch einige ziemlich komische Sachen. Schaut mal hier, das ist die Bildoptimierung in der vorinstallierten Foto-App. Wo kommen die Zähne auf einmal her? Ja, und diese Mondfotos, die habt ihr womöglich schon gesehen. Die gingen ja neulich schon überall durchs Netz. Das Krasse ist, die ging nicht mal über die interne Foto-Verbesserungs-App, sondern die kamen direkt so aus der Kamera. Ja, da fotografiert das Handy Sachen, die da definitiv nicht sind. Sind die Fotos vom S23 Ultra womöglich also auch ultra fake? Wir *zoomen* da mal raus und gucken uns das mal genauer an. Unter anderem haben wir die Fotos des S23 Ultra mit einer Mittelklasse-Spiegelreflex und einer spiegellosen High-End-Kamera verglichen. Bleibt dran!

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Also, das Bearbeiten von Fotos, das hat ja schon eine lange Tradition. Und jetzt, Achtung, klingt vielleicht wie ein Witz, den ChatGPT geschrieben hat, aber was haben Instagram-Influencer und Josef Stalin gemeinsam? Beide benutzen Fotofilter. Ja klar, damals war das alles noch ein bisschen komplizierter, da musste man wirklich mit Schere und Pinsel ran und Stalin hat nicht nur unliebsame Leute aus Propagandafotos rausge"shoppt", sondern zum Beispiel auch die Pockennarben aus seinem Gesicht retuschieren lassen. Aber, dass die ersten Bildmanipulationen gezielt für Propagandazwecke eingesetzt wurden, ist jetzt wenig überraschend und diese Methoden zur Bildbearbeitung sind einfach schon 100 Jahre alt und haben sich im Laufe der Zeit logischerweise immer mehr verbessert. Heute, und das ist natürlich schon ein großer Unterschied, wird die Manipulation bereits bei der Aufnahme vorgenommen, weil die Kamera denkt, schon zu wissen, was die Fotografierenden sehen wollen. Und wenn die Kamera sich beim Fotografieren nicht ganz sicher ist, dann bietet sie "kreative" Bildverbesserungen zumindest nachträglich an.

Schaut mal hier, das ist einfach ein Foto in der vorinstallierten Galerie-App von Samsung, wenn man auf "Bild überarbeiten" tippt. Und das ist definitiv mehr als früher auf Handys. Ein bisschen Farbkorrektur und Helligkeit und Kontrast. Aber manchmal macht die Bildverbesserungs-KI auch ganz komische Sachen mit den Fotos. Dem Twitter-Nutzer @earcity ist aufgefallen, dass Samsung bei manchen Bildern Dinge hinzuerfindet. Und zwar Zähne zum Beispiel, die das sieben Monate alte Kind auf dem Foto eigentlich noch gar nicht hat. Und das haben wir natürlich direkt auf unserem S23-Ultra-Testgerät ausprobiert.

Wir haben jetzt zwar nicht so ein krasses Ergebnis bekommen, aber auch bei uns hatte die KI immer wieder Probleme und hat einem kleinen Kind einfach mal die Zunge mit unscharfen Zähnen ausgetauscht. Vor allem aber die Augen waren Thema bei unseren Testfotos. Da hat die KI immer wieder einen richtigen Bock geschossen und auch generell einfach mal Zähne deutlich schlechter gemacht, als sie auf dem Testfoto eigentlich waren.

Ja, so einen richtig krassen Meilenstein in der Smartphone-Fotografie hat Samsung mit dem S20 Ultra gelandet, als sie verkündet haben, dass ihre Handys jetzt den Mond besonders gut fotografieren können. Und dieser Hype um die Mondfotografie hat aber nicht besonders lange gehalten. Im Januar 2021 kochten die Emotionen hoch, als Leute, unter anderem der deutsche Tech-YouTuber AlexiBexi, behaupteten, Samsung würde bei Galaxy-Telefonen Bilddetails hinzuerfinden, die gar nicht da sind. Konkret beim Fotografieren des Vollmonds. Das gipfelte dann in einem ziemlich aufwendigen Debunking-Artikel auf inverse.com, wo mit vielen Worten bewiesen wurde, dass die Fake-Vorwürfe gar nicht stimmen könnten und dass das halt alles nur an den superguten Bildverbesserungsalgorithmen von Samsung liegt. Als Beweis hatte der Autor mit einem teuren 200-600mm-Objektiv auf einer Sony a7R III ein Vergleichsfoto gemacht und dann das Bild vom Handy und der teuren Sony-Kamera übereinandergelegt. Und die Bilder stimmten generell überein, nur dass das Foto vom Handy halt deutlich schärfer war als das mit der Profikamera. Und das hätte einen ja vielleicht stutzig machen können, aber dennoch war das Resultat, nein, Samsung erfindet nichts neu, sondern hat halt einfach die tollsten Algorithmen. Das haben dann etliche Websites nachgeplappert: Das Thema ist durch, die Fakten haben gesprochen.

Doch nun gab es damals schon einen Reddit-Post, in dem User moonfruitroar demonstriert, wie er oder sie einen geblurrten Mond vom Bildschirm abfotografiert, und zwar mit einem grauen Smiley drauf in einfarbigen Grau. Ja, und am Ende ist da, wo der Smiley war, Mondtextur drin. Und die kann die Samsung-KI-Detailverbesserungs-Engine nicht aus der Vorlage rausgeholt haben, denn da war ja gar nichts. Da war ja nur graue Fläche. Und fast das gleiche Spiel haben wir jetzt mit dem neuesten S23 Ultra wieder erlebt: Samsung zeigt, wie sie tolle Mondfotos hinkriegen. Alle feiern das und etwas später kommt raus: Ja, doch nicht. Denn auch diesmal hat jemand auf Reddit gezeigt, dass das so gar nicht stimmen kann, was Samsung uns da verspricht. Dazu hat der Nutzer ibreakphotos ein Foto vom Mond unscharf gemacht und ist dann noch mal mit seinem S23 Ultra abfotografiert. Dabei ist dann dieses Foto entstanden. Ja, und das zeigt eben ganz deutlich, dass da vor allem Samsungs KI am Werk ist und nicht die eigentliche Kamera mit dem Zoom, wie es Samsung suggeriert. Das konnten wir bei unseren eigenen Tests übrigens auch so bestätigen.

Samsung selbst erklärt die Mondfotofunktion so, dass die Helligkeit heruntergefahren wird, dann mehrere Bilder übereinander gelegt werden und im letzten Schritt die KI das Rauschen entfernt und die Details des Mondes verbessert. Also dass die KI die Details des Mondes verbessert: damit ist ja eigentlich alles gesagt. Klar ist das nicht so stumpf, dass Galaxy-Handys immer, wenn sie einen Mond erkennen, ein bisschen im Flashspeicher rumsuchen und dann ein Stockfoto des Mondes dahin klatschen. Nee, das ist schon ein bisschen mehr sophisticated.

Fakt ist aber, es werden da Sachen reingerechnet, die im Fotomotiv definitiv nicht drin sind. Das soll jetzt hier aber auch gar kein Hate gegen diese Entwicklung in der Smartphone-Fotografie werden. Denn Smartphones sind einfach Kameras, die man in der Hosentasche mit sich rumträgt. Und die meisten Menschen haben vermutlich auch keinen Bock, sich so intensiv mit Fotografie und so Dingen wie Blende, Brennweite, Weißabgleich und so etwas zu beschäftigen. Und genau für die geht es darum, dass sie einfach möglichst ohne groß nachzudenken ihr Smartphone nehmen und ein Foto machen, das dann am Ende gut aussieht. Deswegen haben ja viele gemeint, dass es schon klar geht, was Samsung da macht mit den Mondbildern. Ist ja nicht für Leute gedacht, die wissenschaftliche Astrofotografie betreiben wollen, sondern für Leute, die gerne ihr Glas Rotwein vor dem Mond in Szene setzen möchten für Instagram. Okay, das mit dem Weinglas klappt trotz KI nicht so richtig, das haben wir für euch ausprobiert.

Naja, aber dazu kommt ja noch, dass Kameras, vor allem in Smartphones, ja auch immer eine gewisse Interpretation der Wirklichkeit liefern. Wir haben das mal versucht und uns neben dem S23 Ultra noch ein iPhone 13, eine Mittelklasse-Spiegelreflex, die Nikon D5300 und eine Highend-Lumix-GH5 genommen. Damit haben wir dann einfach mal mitten am Tag viermal das gleiche Foto gemacht. Alle Kameras waren für den Test auf Vollautomatik gestellt. Und auch hier fällt deutlich auf, dass alle Fotos anders aussehen, vor allem in Sachen Farben. Besonders deutlich wird das, wenn wir hier mal das Foto vom Samsung-Handy neben das Bild von der Lumix legen. Da ist einfach deutlich weniger Farbe drin.

Viele Smartphones neigen auch dazu, Fotos zu übersättigen. Etwas anders sieht es aus, wenn wir uns die RAW-Aufnahmen der vier Testgeräte anschauen. Hier werden die Fotos weitestgehend ohne Bearbeitung gespeichert. Denn die möchten professionelle Fotografinnen und Fotografen ja am Ende selbst machen und dann eben sagen, so oder so intensiv sollen die Farben sein. Wenn wir jetzt einfach das RAW-Bild von der Lumix Kamera in Photoshop werfen, dann klicken wir einmal hier und schon wirkt das Bild deutlich ähnlicher zum S23.

Und trotzdem sehen die RAW-Aufnahmen der Smartphones farblich deutlich intensiver aus als von den großen Kameras. Das macht am Ende das Bearbeiten nach dem Fotografieren auf jeden Fall komplizierter. Aber das ist auch die gute Neuigkeit: Man kann auf einem Handy die ganze KI-Optimierung und so weiter immer noch ausschalten und einfach klassische manuelle Fotos machen, die man danach selbst bearbeitet. Bei Samsung heißt das konkret "Szenenoptimierung". Wenn man das abschaltet, dann passieren solche Dinge wie mit dem Mond nicht mehr. Aber dafür braucht man auch, wenn man den Mond fotografieren will, halt auch schon deutlich besseres Foto-Equipment.

Insgesamt greift Samsung schon ziemlich tief in die Trickkiste und generiert zum Beispiel beim Mond Bildanteile, die nicht in der Vorlage sind. Und als Resultat fragt sich gerade die Tech-Welt, was ist eigentlich ein Foto? Wo zieht man die Grenze? Ich meine, die Übergänge zwischen KI-optimiertem Bild und KI-generiertem Bild à la Stable Diffusion sind ja irgendwie auch fließend. Hier, dieses Bild von Papst, das habt ihr vielleicht schon gesehen. Und obwohl ich mich beruflich mit KI-Bildgenerierungstools beschäftige, habe ich nicht gecheckt, dass das Foto generiert ist, weil, ja, auch die Mode im Vatikan ja schon manchmal ein bisschen besonders ist.

Naja, aber wenn mein Handy, meinem Bild, mit dem ich meine Realität aufgenommen habe, als Optimierung jetzt ungefragt falsche Zähne verpasst, dann ist das auf jeden Fall ein ernsthafter Einschnitt in die Wirklichkeit, die ich so vielleicht gar nicht möchte. Auf der anderen Seite finde ich das natürlich super, wenn mein Handy mein Sonnenuntergangsfoto so aussehen lässt, als wäre ich ein professioneller Fotograf und meine Realität eben so abbildet, wie ich sie wahrnehme. Auch wenn sie in Wahrheit vielleicht etwas weniger spektakulär aussieht als in meinem Kopf.

Bei Fotos von Menschen ist das aber eine andere Sache. Was macht das eigentlich mit uns, wenn wir Menschen nur noch in der optimierten Version sehen und wir danach in den Spiegel gucken? Wie seht ihr das? Ist das eine gute Entwicklung mit der KI und der Bildoptimierung oder eher gefährlich? Schreibt es gerne in die Kommentare und gerne auch abonnieren natürlich. Tschüss!


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t magazin. Die Redakteure Jan-Keno Janssen und Lukas Rumpler sowie die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)