Drucker-Geschäft: Sparschweinschlachten ohne die Distribution?

Marketing bedeutet, den Kunden immer wieder neue Geschichten zu erzählen, damit sie investieren. Dass ein Hersteller jetzt aber eine Geschichte erzählt, um nicht mehr, sondern weniger Produkte zu verkaufen, läßt aufhorchen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Systeam-Geschäftsführer Volker Mitlacher,

es ist schon interessant: Vor wenigen Jahren verkauften die Hersteller den gewerblichen Kunden jede Menge Einzelplatzdrucker mit dem Argument, dass sich dadurch die Produktivität der Mitarbeiter signifikant erhöhen ließe. Die Folge war ein sprunghafter Absatzanstieg von dezentralen Printern. Jetzt schwenkt die Industrie um und propagiert den Arbeitsgruppendrucker, den Abteilungsdrucker oder gar den Etagendrucker. Motto: "Die Wahrheiten von gestern sind die Irrtümer von heute." Argumentierten die Marketingleute der Hersteller damals mit Produktivitäsverbesserungen, sind es heute vor allem Kosteneinsparungen und Effizienzgewinne, mit denen sie ihre "Heavy-Duty-Printer" an dem Mann zu bringen versuchen.

Gestern hat Heiko Meyer, Geschäftsführer bei HP und für das gesamte Druckergeschäft des Unternehmens in Deutschland verantwortlich, im Rahmen einer Pressekonferenz in München ein paar interessante Sachen dazu gesagt. Zum Beispiel dies: "Druckmanagement ist bei unseren Kunden eines der letzten ungeschlachteten Sparschweine. Hier lassen sich noch riesige Effizienzgewinne und Einsparpotenziale von bis zu 30 Prozent realisieren."Und es ist aus der Sicht der Industrie und auch der Channelpartner ein Feld, in dem noch richtig viel Geschäft zu holen ist. Denn nach Angaben des HP-Geschäftsführers haben derzeit nur 15 Prozent der Unternehmen in Deutschland ein professionelles Drucker-Management installiert. Mit anderen Worten: In 85 Prozent herrscht mehr oder weniger Chaos, was den Einsatz von Printern und Multifunktionsgeräten betrifft.

Ab nächstem Monat kümmert sich im Großkundenumfeld die neue HP-Abteilung "Managed Enterprise Solution" (MES) unter der Leitung von Michael Stolz um dieses Thema. Im Mittelstand will HP mit den Vertriebspartnern zusammen das Thema offensiv angehen. Meyer hat versprochen, den Partnern bei der Entwicklung vom Druckerverkäufer zum MPS-Experten ("Managed Print Services") zu helfen.

Wenn Meyer mit seiner These Recht hat, dass der Trend beim Drucker-Einsatz weg vom Arbeitsplatzdrucker und wieder mehr in Richtung Abteilungsdrucker geht, dann bedeutet dies vor allem eins: weniger verkaufte Drucker. Das muss für die Industrie und den Channel nicht unbedingt ein Schreckenszenario sein. Dann nämlich nicht, wenn dieser Mengenschwund durch höhere Deckungsbeiträge aufgrund von werthaltigeren Hard- und Softwarelösungen sowie vor allem auch Servicekomponenten ("Rundum-Sorglos-Paket" für den Kunden) überkompensiert wird. Soweit klingt das durchaus plausibel.

Aber was ist mit der Distribution? Was bedeutet dies vor allem für einen auf die Vermarktung von Druckern spezialisierten Distributor wie Systeam? Wenn die Nachfrage nach Druckern aufgrund einer geänderten Strategie der Businessanwender zurückgeht, wie soll die Distribution diese Absatzrückgänge durch andere Erlöse ausgleichen? Das scheint mir doch etwas schwierig zu sein. Natürlich macht es auch Ihnen mehr Spaß, größere Geräte zu verkaufen, man hat mehr Marge und einen unterm Strich auch geringere Logistikaufwendungen als beim Verkauf vieler kleiner Drucker. Aber gleicht sich das aus? Und außerdem sind es ja nicht nur die Geräte an sich. Sondern betroffen sind auch Zubehör und vor allem Verbrauchsmaterialien. Da würde dann doch ganz schön was weg fallen. Für Sie muss das Szenario von HP-Geschäftsführer Meyer ein Horrorszenario sein. Deshalb würde es mich brennend interessieren, welche Antwort Sie auf diese Herausforderung parat haben.

Vielleicht haben Sie ja gar keine Antwort darauf?! Und zwar deshalb nicht, weil Sie der Ansicht sind, keine zu brauchen. Vielleicht meinen Sie: Nur weil Heiko Meyer von HP eine Vision hat, heißt das noch lange nicht, dass die Kunden sich danach richten. Vielleicht sagen die Kunden stattdessen: "Lieber Herr Meyer, gestern haben Sie mir noch von den großartigen Produktivitätssteigerungen vorgeschwärmt, wenn ich jedem meiner Mitarbeiter einen Arbeitsplatzdrucker kaufe, heute erzählen Sie mir, wie viel ich sparen kann, wenn ich diese Geräte wieder rausschmeiße und durch Zentraldrucker ersetze. Ich bin schon gespannt, welche Geschichte Sie mir morgen erzählen werden." Kann doch sein, oder? Gerade der mittelständische Kunde ist ja durchaus etwas eigen, wenn die Industrie ihm mal wieder zu erklären versucht, was gut für ihn ist.

Seien wir doch mal ehrlich: Es ist ein bekanntes Spiel, dass die Hersteller – egal ob HP, IBM, Microsoft, Cisco oder andere – in schöner Regelmäßigkeit einen neuen Trend proklamieren, von dem die Kunden bisher noch gar nichts wussten. Es gehört halt zum Geschäft, der Kundschaft immer wieder eine Geschichte zu erzählen. Ich finde da auch gar nichts dabei, solange die Story gut ist. Aber dass die Industrie wie aktuell eine Geschichte erzählt mit dem Ziel, nicht mehr, sondern weniger Produkte zu verkaufen, das hat es meines Wissens auch noch nicht gegeben. Ein interessantes Experiment.

Beste GrĂĽĂźe

Damian Sicking

Und hier die Antwort von Systeam-Chef Volker Mitlacher

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