Web-DNS-Sperren: Bürgerrechtler fordern "Abschaffen statt Aufschieben"

Obgleich die schwarzgelbe Koalition die umstrittene DNS-Umleitung für Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten zunächst für ein Jahr aussetzen will, fürchten Beobachter, dass weitergehende Bestrebungen nach Netzsperren erneut ins Gespräch kommen.

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Von
  • Peter Schmitz

Die Anwendung des sogenannten Zugangserschwerungsgesetzes (ZugErschwG, PDF ) soll zunächst für ein Jahr ausgesetzt werden – das geht aus dem Entwurf des Koalitionsvertrags hervor, auf den sich CDU/CSU und FDP am gestrigen Samstag geeinigt haben. Bürgerrechtler würden das stark umstrittene Gesetz, das Zugriffe auf Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten dadurch erschweren soll, dass es Provider zu DNS-Umleitungen auf Grundlage von Sperrlisten des Bundeskriminalamts zwingt, allerdings viel lieber komplett abschaffen. So kritisiert der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) in einer Pressemitteilung, dass "ein als offensichtlich unsinnig und kontraproduktiv erkanntes Gesetz" nicht aufgehoben werde. Thomas Stadler vom AK Zensur nennt die im Koalitionsvertrag beschlossene Aufschiebung der Gesetzesanwendung "auch rechtlich äußerst fragwürdig".

Zunächst will die schwarzgelbe Koalition durch polizeiliche Maßnahmen darauf hinwirken lassen, dass kinderpornografische Inhalte aus dem Netz entfernt werden. Nach einem Jahr soll die Regierung den Erfolg dieser Maßnahmen evaluieren. Der AK Zensur wiederum befürchtet, dass "spätestens dieser Zeitpunkt genutzt wird, um weitergehende Bestrebungen nach Netzsperren erneut ins Gespräch zu bringen." Er verweist dazu auf Forderungen aus der Politik und von Lobbyverbänden, etwa Glücksspielangebote oder urheberrechtlich fragwürdige Webinhalte zu sperren. Zusätzlich bestehe die Gefahr, dass auch auf europäischer Ebene versucht werde, solche Sperrungen durch die Hintertür einzuführen.

Der Arbeitskreis richtet speziell an die Adresse der bisherigen und voraussichtlich auch künftigen Familienministerin Ursula von der Leyen die Forderung, sich "nach dem Ende des Wahlkampfes nun den wirklichen Problemen bei der Bekämpfung von sexuellem Missbrauch zu stellen, statt weiterhin Symbolpolitik zu betreiben". So müsse man insbesondere in die Ausstattung und Ausbildung der Ermittlungsbehörden investieren. Christian Bahls vom Verein MOGiS (Missbrauchsopfer gegen Internetsperren) spitzt dies noch zu: „Viele Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch sind auch indirekte Folge einer verfehlten Familien- und Sozialpolitik und liegen somit – im Gegensatz zu technischen Themen – nicht nur im Verantwortungs-, sondern auch im Kompetenzbereich von Frau von der Leyen.“ (psz)