Big Brother Awards Austria: Abrechnung mit Grünen und ÖBB

Die österreichischen Big Brother Awards für diejenigen, die sich nach Ansicht einer Jury im Bereich der Kontrolle, Überwachung und Bevormundung besonders hervorgetan haben, warteten mit einer Überraschung auf: Erstmals wurden Grüne mit einem der Negativpreise ausgezeichnet.

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Die zehnte Wiederkehr der österreichischen Big Brother Awards wartete Sonntagabend mit einer Überraschung auf: Erstmals wurden Grüne mit einem der Negativpreise ausgezeichnet. Die Auszeichnungen werden seit 1999 jährlich an jene vergeben, die sich nach Ansicht einer Jury im Bereich der Kontrolle, Überwachung und Bevormundung besonders hervorgetan haben. Weitere Preisträger waren am Vorabend des österreichischen Nationalfeiertages die Firma Tiger Lacke, die Metasuchmaschine 123people.at und das Finanzministerium. Zusätzlich wird eine Volkswahl durchgeführt, bei der diesmal die meisten Stimmen auf die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) entfielen. Ihnen wurde der Skandal um illegal beschaffte Krankendaten zum Verhängnis.

Big Brother Awards Austria 2009 (6 Bilder)

Laudator Stefan Ruzowitzky

Stefan Ruzowitzky war der prominenteste Laudator des Abends (Bild: Daniel AJ Sokolov / heise online)

Die Grünen Abgeordneten zum oberösterreichischen Landtag Klubobmann Gottfried Hirz, Ulrike Schwarz und Maria Wageneder wurden in der Rubrik Politik für ihre Unterstützung einer Forderung nach Internet-Sperren für "Seiten mit kinderpornografischemem Inhalt" bedacht. Zwar war der dringliche Initiativantrag einstimmig vom gesamten Landtag angenommen worden. Doch zeigte sich die Big Brother Award Jury gerade von den Grünen Politikern enttäuscht, die "allenfalls vorhandenen Sachverstand weggeworfen" hätten. Die "'üblichen verdächtigen' Rechtspopulisten" anderer Parteien seien wegen "heftigen Populismus" bereits in den vergangenen zehn Jahren vielfach ausgezeichnet worden.

Der Preis für Business und Finanzen ging an Clemens C. Steiner, CEO von Tiger Coatings (besser bekannt als Tiger Lacke). Der Betrieb fiel der Jury durch mehrere Eingriffe in die Privatsphäre seiner Mitarbeiter, aber auch die dafür gebrauchten Ausreden negativ auf. "Im Sinne des Erhalts der Zufriedenheit der Belegschaft" und um "Verbesserungen frühzeitig durch geeignete Maßnahmen einleiten zu können", hat die Geschäftsführung "regelmäßig die Kommunikation mit den betreffenden Mitarbeitern gesucht", hieß es seitens Tiger Lacke. Zu Deutsch: Die Mitarbeiter wurden auf "freiwilliger Basis" systematisch vorgeladen und nach den Gründen für ihren Krankenstand befragt.

Dem nicht genug wurde verdeckt ein System von rund 20 Kameras samt Aufzeichnungsanlage in Hallen, Büros und Müllräumen installiert. Ziel sei die Sicherung von Arbeitsplätzen Angesichts eines "existenzbedrohlichen Abgangs von Pulverlacken" gewesen. Wie die Geschäftsführung zugeben musste, lag aber bloß ein Buchhaltungsfehler vor. Wie die Videoüberwachung schrieb Tiger Coating CEO Steiner auch das Mitschneiden der E-Mails eines Mitarbeiters dem Übereifer eines nicht dazu autorisierten Mitarbeiters zu.

Oskar-Preisträger Stefan Ruzowitzky verkündete den Sieger in der Sparte Kommunikation und Marketing: Die Personen-Suchmaschine 123people.at. Die Website würde bei Eingabe eines Namens dank "'Schwarmintelligenz' Ergebnisse von gefährlicher Beliebigkeit in Form einer Tag Cloud" ausspucken und zudem Namen, Bilder und Parteien falsch zuordnen.

123people.at reagierte umgehend mit einer Stellungnahme. Der Award wird darin als "professionelle Veranstaltung, die eine wichtige Datenschutz-Funktion in der Gesellschaft erfüllt", gelobt. Dann heißt es allerdings: "Die Begründung, mit der 123people nominiert wurde, steckt voller Ungenauigkeiten und Fehler. Damit wird dem Datenschutz, dessen gesetzliche Vorgaben 123people zur Gänze entspricht, kein guter Dienst erwiesen." So komme etwa bei der Suchmaschine gar keine "Schwarmintelligenz" zum Einsatz, sondern es würden öffentliche zugängliche Webseiten durchsucht. Die Tag-Cloud werde aus Ergebnissen klassischer Suchmaschinen erstellt. 123People ordne keine Daten bestimmten Personen zu, sondern zeige öffentlich im Netz verfügbare Informationen zu einem Namenspaar an. "Das Zuordnen der gefundenen Informationen zu einer bestimmten Person bleibt dem User überlassen." Mit der Suchmaschine könne jeder seinen "digitale Fußabdruck" überprüfen. "Dafür einen Big Brother Award zu erhalten, ist absurd."

Das Finanzministerium hat durchgesetzt, dass ab 2011 bei allen Spenden die Sozialversicherungsnummer des Spenders angegeben werden muss, wenn die Spende steuerlich absetzbar sein soll. Damit können aber Banken und karitative Organisationen die Sozialversicherungsnummern sammeln. Dabei sehe das E-Government-Gesetz für solche Fälle bereichsspezifische Personenkennzeichen vor, die nicht über bestimmte Verwaltungsdatenbanken hinaus genutzt werden könnten. Da das Finanzministerium dieses Gesetz ignoriert, setzte es den Award für Behörden und Verwaltung.

Zu Beginn war außerdem nachträglich ein Big Brother Award 2007 an Bildungsministerium Claudia Schmied (SPÖ) ergangen. Verschlechterungen bei der bereits 2003 kritisierten Bildungsevidenz hätten sie damals zur Gewinnerin machen sollen. Mit einer Absichtserklärung, bis 2009 eine Alternative zur Sozialversicherungsnummer als Personenkennzeichen zu finden, konnte sie sich damals aus der Affäre ziehen. Die Jury wartete ab und zeichnete die Politikerin nun doch aus. Das System wurde nämlich nicht entscheidend geändert.

Zu den Big Brother Awards siehe auch:

(jk)