SCO vs. Linux: Gnothi seauton

Der griechische Text im von SCO als Beispiel für geklauten Code in Linux angeführten Beweis weist auf einen Transfer hin, meinen Linux-Entwickler. SCO reklamiert für sich, dass der Code durch eine Lizenz mit SGI geschützt ist.

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Von
  • Detlef Borchers

In dem Streit, ob möglicherweise Code-Bestandteile aus der Unix-Entwicklung in Linux eingeflossen und damit Rechte von SCO verletzt worden sind, ist nun ein "griechisch" gehaltener Code in den Mittelpunkt des Interesses gerückt: Auf einem Foto, das der Heise-Reporter Erich Bonnert von den Beweisen anfertigte, die die SCO Group auf ihrem Anwenderkongress in Las Vegas präsentierten, wurde der SCO gehörende Code in einem griechischen Fontgezeigt. Diese an ROT13 erinnernde Methode sollte offenbar den Zuhörern die besondere Schutzwürdigkeit des Codes signalisieren. Inzwischen ist die gesamte Powerpoint-Präsentation auf der Website des Linux-Evangelisten Bruce Perens verfügbar und wird dort ausführlich analysiert. "Übersetzt" ergeben die griechischen Zeilen folgenden Kommentar:

* As part of the kernel evolution toward modular naming, the
* functions malloc and mfree are being renamed to rmalloc and rmfree.
* Compatibility will be maintained by the following assembler code:
* (also see mfree/rmfree below)

In dieser Form stammt der Kommentar nicht aus dem frei verfügbaren Unix aus dem Jahre 1978, die SCO, damals unter dem Namen Caldera, im Jahre 2002 freigab. In dieser Form ist der Kommentar erst in System V.4 enthalten und wanderte von dort aus nach Linux, wie der Unix-Experte Greg Lehey nun auf seiner Website ausführt, die den Weg des Codes en détail verfolgt. Für Lehey ist es eindeutig, dass der zum fraglichen Kommentar gehörende Code nicht aus der BSD-Entwicklungslinie kommt, sondern 1986 bei SGI geschrieben und später unter der GPL freigegeben wurde. Dieser Code tauchte dann in Unix V.4 auf und wurde schließlich am 28. Februar 2002 in den Linux-Code eingebracht. Somit weise der griechische Text möglicherweise auf einen Transfer hin, meint Lehey.

Etwas anders sieht Bruce Perens die Geschichte. Seine Analyse (Mirror der überforderten Perens-Seite) der fraglichen Stelle verweist darauf, dass die älteste Version des fraglichen Codes bereits in Donald Knuths Klassiker "The Art of Computer Programming" im ersten Band aus dem Jahre 1968 zu finden sei. Nachfolgend sei der Code viel später von Caldera freigegeben worden und damit frei zur weiteren Veränderung. Perens beschäftigt sich mit anderen Beispielen der SCO-Präsentation, nämlich dem ebenfalls inkrimnierten Berkeley Packet Filter. Für diese Firewall, die mit öffentlichen Forschungsgeldern entwickelt wurde, existiert eine von Jay Schulist geschriebene Linux-Variante, die allein nach der Dokumentation im Clean-Room-Verfahren entwickelt wurde. Perens kommt zum Schluss, das keiner der von SCO präsentierten Beweise vor Gericht ausreichen würde, die vermeintlichen Rechte der SCO Group zu belegen.

Gnothi seauton -- heißt einer der berühmtesten griechischen Sentenzen, die nach Sokrates das Orakel von Delphi zierte: Erkenne dich selbst. Eine ultimative Aufforderung, die an SCO wie an die Gemeinschaft der Linux-Entwickler gestellt werden kann. Letztere hat nach einer ersten Durchsicht des Sourcecodes vor der öffentlichen Beweisführung von SCO festgestellt, welch grottenschlechter Programmcode in Linux existiert und hat am 4. Juli 2003 einen Patch herausgebracht, in dem der inkriminierte Code nicht mehr vorhanden ist.

Die kritische Selbstbefragung macht aber auch vor SCO nicht halt. Die Firma muss sich zumindest die Frage gefallen lassen, wie man das Eigentum an einer 17 Jahre alten Methode festmacht und gleichzeitig den Anspruch hochhält, das modernste Unix zu besitzen. Dass die SCO Group sich Code von SGI zu Eigen macht, den SGI selbst freigegeben hat, wäre eine andere Frage, die von SCO jedoch unproblematisch gesehen wird. Chris Sontag, Senior Vice President of Intellectual Property bei SCO, erklärte in einem Interview mit heise online die Bedeutung der griechischen Zeilen: "Wir besitzen sämtlichen Unix-Code in allen Versionen bis zurück zum Ursprung 1969. Wir haben sämtliche Bänder und alle Versionen durchforstet. Der fragliche Code stammt aus genau der Version von Unix System V, die wir per unterschriebenem Vertrag an SGI lizenziert haben. Diese Variante war niemals in BSD oder anderen Releases."

Das SCOforum, Auslöser all der neuen Debatten um Linux und die Zukunft von quelloffener Software, brachte nicht nur die Veröffentlichung der SCO-Beweise. Auf der Hausmesse kündigte SCO neue Software an, die unter anderem besser mit Samba zusammenarbeiten würde, betont SCO. Dieselbe Firma, die sich daran macht, die Open-Source-Bewegung zu torpedieren, nutze quelloffene Software: Gegen diese Art der Geschäftsführung haben nun Entwickler des Samba-Codes Protest eingelegt. Als unverfrorene Anmaßung sehen sie die Nutzung durch SCO, der sie freilich keinen Riegel vorschieben können. Die Freiheit in einer freien Lizenz enthält auch die Freiheit zum Missbrauch derselben. Doch auch dieser Protest der Samba-Gruppe ist nicht ohne Beigeschmack. Bekannte Samba-Entwickler wie der IBM-Mann Andrew Tridgell sind in der Protestnote nicht aufgeführt, weil ihnen "politische" Stellungnahmen von den jeweiligen Arbeitgebern verboten wurden.

Zu den jüngsten Entwicklungen im Streit zwischen SCO, der Open-Source-Gemeinde und den Linux-Firmen siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)