SCO vs. Linux: die ersten 100 Tage
Kühe gegen GNUs und SCO gegen den Rest der Welt: Die Auseinandersetzung um angeblich illegal kopierten Code in Linux geht weiter; das Publikum erwartet das Ablaufen des Ultimatums an IBM zur Verlängerung der AIX-Lizenz.
Heute endet um Mitternacht pazifischer Ortszeit die Frist, die SCO der Firma IBM gesetzt hat, in neue Lizenzvereinbarungen einzutreten, damit IBMs Unix-Derivat AIX weiter ohne Einschränkungen vertrieben werden kann. In einem Brief an IBM-Chef Palmisano vom 6. März hatte SCO diese "Nachbesserungsfrist" verkündet und IBM davon in Kenntnis gesetzt, dass die Firma Vertragsbruch begangen habe. Gemäß der Lesart von SCO habe IBM Konzepte und Code-Teile aus dem gemeinsamen Projekt Monterey in die Linux-Distribution überführt und damit gegen Verträge verstoßen und Rechte von SCO missachtet.
"Wenn am Freitag keine Übereinkunft gefunden wird, wird die AIX-Unix-Welt ein ganz anderer Platz sein", unkte SCOs Präsident Darl McBride. Gegenüber einem Reporter von Internetnews schränkte SCO-Sprecher Blake Stowell die mysteriöse Drohung ein. "Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns entschieden, vorerst nicht die Endkunden anzugehen [die AIX einsetzen]. Das könnte noch passieren. Derzeit sehen wir die Kunden als unschuldig Beteiligte", erklärte Stowell.
Vieles spricht dafür, dass IBM die Frist verstreichen lässt. Alle Anfragen in den USA wie in Deutschland werden unisono mit der immer gleichen Pressemeldung retourniert. Danach nimmt "IBM [...] dieses Gerichtsverfahren ernst und beabsichtigt, sich energisch zu verteidigen. Laut unserem Vertrag ist unsere UNIX-Lizenz unwiderruflich und unbefristet". Ergänzend soll sich bislang einzig der IBM-Vizepräsident Bill Zeitler in einem Gespräch mit Analysten der Deutschen Bank geäußert haben, als er darauf hinwies, dass IBM 700 existierende oder ausstehende Patente an AIX besitze. Eine detaillierte Auskunft, was bei der Programmierung von AIX 5L passiert sein könnte, steht noch aus. Sowohl SCO wie IBM haben keine Details bekannt gegeben, was es mit der besonderen Linux-Affinität von AIX 5L auf sich hat.
Bislang wird die Auseinandersetzung im Linux-Lager als Techtelmechtel gewertet, das davon ablenkt, dass SCO selbst Linux-Software unter der GPL (GNU General Public License) vertrieben hat. In dieser Lesart könnten Code als Eigentum von SCO durch SCO selbst freigesetzt worden sein. Nun soll eine Kuh das GNU beißen: Die Computerwoche veröffentlichte die Einschätzung von US-Anwälten, die einen Präzendenzfall im Jahre 1887 gefunden haben wollen. Ein Bauer verkaufte damals eine trächtige Kuh, ohne zu wissen, dass sie trächtig war. Der Kauf wurde annulliert, der Bauer bekam Kuh und Kalb zurück, weil er den Vertrag falsch verstanden hatte. Ob der Präzedenzfall angewendet werden kann, ist fraglich. Zumindet müsste SCO eingestehen, den Source-Code nicht verstanden zu haben, den es unter GPL stellte.
Dass SCO Verständnisprobleme hat, berichtet die Computerworld in einer aktuellen Zusammenfassung. Sie zitiert den Analysten Bill Claybrook mit der an SCO gerichteten Frage, ob man Beweise dafür habe, dass IBM schuldhaft Source-Code von SCO Unix System V nach Linux kopiert habe. Das sei verneint worden. Später erhielt Claybrook einen Telefonanruf, der ein Missverständnis der Frage behauptete. Ja, man habe Beweise -- die dem Analysten freilich nicht gezeigt wurden.
Zum Streit um die Ansprüche von SCO und den angeblich von Unix System V geklauten Code in Linux siehe auch:
- SCO: Ein Signal an IBM und Vorwürfe gegen das Unix-Haus
- SCO vs. Linux -- verräterische Kommentare?
- Keine Panik bei Red Hat wegen Vorwürfen von SCO
- Novell von SCO-"Beweisen" im Linux-Streit nicht überzeugt
- Ordnungsverfahren gegen SCO eingeleitet
- Unix-Vertrag zwischen SCO und Novell aufgetaucht
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- SCO: Ausschneiden und kleben?
- Ein Maulkorb für SCO
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- SCO vs. IBM: "Selbstmordversuch" des Unix-Traditionshauses?
- SCO verklagt IBM wegen Linux
(Detlef Borchers) / (jk)