SCO vs. Linux: Die Zeit der Verschwörungstheorien

SCO sieht IBM hinter einer Verschwörung wegen des angeblich geklauten Code in Linux. Eric Raymond fordert SCO auf, alle inkriminierten Stellen zu nennen, damit man sie im Zweifelsfall entfernen könne.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

In der an Wendungen und Verdrehungen reichen Geschichte um SCO und den möglicherweise nach Linux transferierten Quellcode aus SCO-Beständen sind neue Drehungen zu vermelden. Zu der Verschwörungstheorie, dass Microsoft hinter SCO steht, gesellt sich die Theorie, dass die Ablehnung der Ansprüche von SCO eine einzige, gut getarnte Kampagne von IBM ist. So berichtete die InfoWorld, dass SCO-Chef Darl McBride IBM als Urheber der Schmutzkampagne sieht. IBM habe Novell angestiftet, sich gegen SCO zu stellen, meinte McBride, selbst lange Jahre bei Novell als Leiter der Netware Embedded Division (NEST) angestellt. IBM habe Red Hat dazu getrieben, gegen SCO zu klagen, meint er außerdem. Auch würde Eric Raymond von der Open Source Initiative auf der Gehaltsliste IBMs stehen, die überdies die Free Software Foundation und damit den Juristen Eben Moglen finanzieren würde, führte Darl McBride weiter aus.

Während IBM wie Red Hat die Anschuldigungen lapidar für Unsinn erklärten und von Novell keine Stellungahme kam, raffte sich Eric Raymond auf, einen offenen Brief an Darl McBride zu schicken. In ihm verneinte Raymond, von IBM bezahlt zu werden, bestritt aber nicht, IBM geholfen zu haben. Insgesamt appellierte Raymond an die Vernunft des SCO-Oberen mit einer Anspielung an die Einsichtsfähigkeit von Darth Vader: "Sie haben die Wahl. Nehmen Sie den dunklen Helm ab und unterhalten sich mit uns wie ein menschliches Wesen, oder setzen Sie Ihren Weg fort, der für uns schlimme Zeiten befürchten lässt, der aber Sie und das gesamte SCO-Topmanagement ganz sicher in den Ruin treiben wird."

Abseits der dröhnenden Star-Wars-Rhetorik benutzte Eric Raymond den offenen Brief, um auf eine Petition der Linux-Community aufmerksam zu machen, die auf dem SCOForum verlesen wurde. In ihr wird die SCO Group aufgefordert, den Konfrontationskurs aufzugeben und alle inkriminierten Stellen im Source-Code zu nennen. Im Gegenzug wollen die Linux-Programmierer zusichern, alle fraglichen Stellen zu überarbeiten: "Wenn rechtsverletztender Code im Linux-Kernel vorhanden sein sollte, werden wir ihn entfernen, weil unsere Gemeinschaft keinen Teil dieses Kernels haben möchte."

Die höfliche Aufforderung wird möglicherweise ohne Antwort bleiben, weil SCO mit den ersten, auf dem SCOForum veröffentlichten Beweisen nicht überzeugen konnte. Neben dem Problem des "griechischen" Codes ist inzwischen der von SCO präsentierte Berkeley Packet Filter (BPF) in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Das SCO-Beispiel stammt aus der Datei /sys/net/bpf.c, die hier verfügbar ist. In dem von SCO gezeigten Ausschnitt fehlen die BSD-Lizenzbedigungen, die gemäß BSD-Lizenz immer zu nennen sind: "Redistributions of source code must retain the above copyright notice, this list of conditions and the following disclaimer." Weil sie fehlen, gehen Code-Experten wie Bruce Perens und Greg Lehey davon aus, dass SCO mit dem Beispiel bewiesen habe, dass die Lizenzbedingungen vereinbarungswidrig entfernt worden sind.

Somit könnte ein klassisches Eigentor vorliegen, zumal andere Möglichkeiten ausgeschlossen sind. So war der Programmierer der in Linux benutzten Version von BPF, Jay Schulist, zwar bei Caldera angestellt, schrieb aber die Clean-Room-Variante von BPF vor seiner Zeit bei Caldera. Aus den Kreisen ehemaliger Caldera-Entwickler können sich mehrere Personen daran erinnern, dass in den SCO-Trees an vielen Stellen beim BSD-Code die Copyright-Notizen fehlten. Das Verfahren, "überflüssige" Lizenzen abzuschneiden, scheint auch bei anderen Firmen praktiziert worden zu sein. So meldeten sich bei heise online Entwickler, die die "Technik" bei Siemens-Nixdorf erlebten. Sollte sich die Beweislage im Fall SCO erhärten, dann haben die Code-Hunter dieser Firma einen Beweis ausgegraben, der das genaue Gegenteil der Anschuldigungen von SCO belegt. Zumindest im Fall von BPF müsste SCO nicht nur die Powerpoint-Präsentation (als .ppt, als PDF) sondern den ganzen Code öffentlich machen, um den Verdacht zu entkräften.

Zu den jüngsten Entwicklungen im Streit zwischen SCO, der Open-Source-Gemeinde und den Linux-Firmen siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)