Koordinieren statt kannibalisieren

Die Oktober-Messen standen sich gegenseitig auf den Füßen und 2010 wird es noch viel schlimmer. Die "IT & Business" und "SNW Europe" finden dann zeitgleich statt und mit "Focus Reseller" feiert eine Messe für den ITK-Handel Premiere. Ausstellern wie Besuchern ist das eindeutig zu viel, doch für die Veranstalter zählen andere Prioritäten.

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Von
  • Karl Fröhlich

Karl Fröhlich, freier Journalist

Im Oktober standen sich die IT-Messen im wahrsten Sinne des Wortes gegenseitig auf den Füßen: Den Anfang machte in diesem Jahr die CRM-Expo. Im Wochentakt folgten die IT & Business, die Security-Messe it-sa, die discuss & discover und die Storage Networking World Europe (SNW). Nächstes Jahr wird´s nicht besser – im Gegenteil. 2010 rücken die Events noch näher zusammen und finden zum Teil gleichzeitig statt – beispielsweise IT & Business und SNW. Neu im herbstlichen Messereigen tanzt nächstes Jahr dann auch noch die IT- Fachhandelsmesse Focus Reseller mit.

Trotz des Messegedrängels im Oktober – oder vielleicht wegen – herrscht bei den Messeveranstaltern großes Wehklagen: Wie schwierig es sei, Publikum ebenso wie Aussteller für eine Teilnahme zu begeistern, zum Besuch zu bewegen. Wen wundert's? Für alle, Aussteller wie Besucher, ist dieses Messestakkato ein Angriff auf das knappe Zeitbudget – von den Kosten ganz zu schweigen.

Vor allem der IT-Fachhandel, als Business-Besucherklientel von den Messen umworben, befindet sich im Oktober in der "heißen Phase" des Jahresendgeschäfts. In diesem Zeitraum müssen noch Aufträge und die letzten Deals eingefahren und laufende Projekte umgesetzt werden. Messen kommen da eher ungelegen, vor allem in dieser geballten Form. Wie viele Fachhändler sich da wohl auf einer Fachhandelsmesse Focus Reseller einfinden werden? Man darf gespannt sein.

Verständlicherweise sind Messebesucher mittlerweile sehr wählerisch geworden und das sollen sie auch. Fachhändler wie auch IT-Manager gehen da hin, wo sie die interessantesten Informationen für ihr Business geboten bekommen. Eine reine Ausstellung ohne Konzept, mit mehr oder weniger wahllos zusammen gewürfelten Ausstellern, bringt keinen Nutzen, ist daher uninteressant.

Attraktiv fĂĽr Besucher ist:

Mehrwert 1: ein spannendes Vortragsprogramm von Experten, die wissenswerte und innovative Business- und Technologie-Aspekte sowie Praxiserfahrung mitbringen.

Mehrwert 2: Eine Ausstellungsfläche, auf der sich so flächendeckend wie möglich alle wichtigen Anbieter eines Fachbereichs tummeln und so dem Besucher einen Überblick über die existierenden Lösungen des Marktes bieten.

Attraktiv fĂĽr Aussteller ist:

Mehrwert 1: Fachbesucher erreichen und möglichst viele Leads generieren.

Mehrwert 2: Erschwingliche Kosten und guter Service seitens der Messegesellschaft.

Das belegt auch ein RĂĽckblick auf die durchgefĂĽhrten Messen: Die themenfokussierten Spezialmessen mit Kongressprogramm wie SNW, it-sa oder CRM-Expo sind erfolgreicher als die Messen, die versuchen, ein breites, themenĂĽbergreifendes Spektrum abzudecken wie discuss & discover oder die IT & Business.

Das kann doch alles nicht so schwer sein... denkt man. Als Nicht-Messeveranstalter denkt man sich aber auch: Wie kann es sein, dass 2010 die IT & Business zeitgleich mit einer SNW stattfindet? Haben die keinen Kalender? Doch, haben sie: Gegenüber heise resale erklärte ein Sprecher der IT & Business, es sei ausdrücklich der Wunsch der bestehenden Aussteller, Abstand zur CRM-Expo und der it-sa zu gewinnen. Weil aber die Messe Stuttgart sehr ausgebucht sei, könne man nicht jeder Terminüberschneidung ausweichen. Das heißt aber auch, Security und CRM sind den Stuttgartern wichtig, Themen wie Storage, Virtualisierung und Rechenzentrums-Technologien stehen nicht oben auf der Agenda.

Die Macher der SNW sehen die Überschneidung gelassen. Die internationale Veranstaltung verbuchte in diesem Jahr mit über 1500 Teilnehmern (ca. 25 Prozent Fachhändler) einen Besucherrekord und sieht sich in einer starken Position. Die großen Hersteller halten sich hinsichtlich der drohenden Terminkollision bedeckt. Die Planungen für das kommende Jahr seien noch nicht abgeschlossen. Doch letztendlich stinkt's allen, nur sagen tut´s keiner.

Jeder Dorfverein schafft es, sich mit seinen Nachbarn zu arrangieren und abzusprechen, damit das große Fußballturnier und das Kirchweihfest nicht gleichzeitig stattfinden. Warum klappt das bei Messegesellschaften nicht? Weshalb stehen die sich auf den Füßen, kannibalisieren sich gegenseitig, statt gemeinsam Lösungen im Sinne ihrer Kunden zu suchen?

Meine These: Zuallererst fehlt es am Willen. Zum zweiten an Konzepten. Denn, seien wir mal ehrlich, fundierte, schlüssige Konzepte sind die Stärke der meisten Veranstalter nicht – Ausnahmen bestätigen die Regel. Immer noch steht bei den großen Messen der Verkauf von Standfläche im Vordergrund. Klar, damit wird das Geld verdient. Aber ob die Kunden wirklich die Informationen finden, die sie suchen und es ihnen leicht gemacht wird, diese zu kriegen, das interessiert die Herren Veranstalter oft nur am Rande.

Messen sind nicht passé

Auch wenn es im Internet-Zeitalter manchmal so scheint und rückläufige Besucher- und Ausstellerzahlen auf einer CeBIT es vermuten lassen: Live-Veranstaltungen wie Messen sind kein Relikt vergangener Tage: Einer von Fleishman-Hillard und speicherguide.de unter IT-Profis durchgeführten Umfrage (im Rahmen einer Studie zum Storage-Markt) zufolge, nutzt knapp die Hälfte Fachmessen, Kongresse und Roadshows zur Meinungsbildung. Schade also, dass die Veranstalter die Bedürfnisse ihrer Kunden, Besucher und Aussteller so wenig im Blickfeld haben.

Leidtragende sind Aussteller und Besucher – na ja, natürlich auch die Messegesellschaften. Aber die haben es ja in der Hand, es besser zu machen und sind demzufolge selber schuld. (map)