IBC: Alte DVB-Receiver sollen Streaming-Clients werden

Die "Advanced Technologies Group of NDS" hat eine Methode entwickelt, mit der sich Settop-Boxen als Empfänger für kommende Personal Video Recorder nutzen lassen.

vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Auf der IBC präsentiert die "Advanced Technologies Group of NDS" eine Methode, mit der sich Settop-Boxen als Empfänger für kommende Personal Video Recorder nutzen lassen. Dahinter steckt die Überlegung, dass preiswerte DVB-Empfänger nach dem Kauf von Settop-Boxen mit Festplatte und PVR-Funktionen meist ausgemustert werden. Nach den Ausführungen von Präsentator Colin Davies muss dies nicht sein: Vielmehr könnten diese meist noch voll funktionsfähigen "Oldies" mit einem kleinen Trick als Streaming-Clients für den neuen PVR dienen -- beispielweise, um ein aufgezeichnetes Programm ins Schlafzimmer zu übertragen. Hierfür sollen kommende PVRs der alten Settop-Box vorgaukeln, dass sie einen ganz normalen DVB-Datenstrom von einem Satelliten, aus dem Kabel oder terrestrisch empfängt -- je nachdem mit welchem Tuner sie ausgestattet ist.

Möglich macht dies ein so genannter QPSK-Modulator in kommenden Personal Video Recordern. Quadrature Phase Shift Keying ist eine Frequenzmodulations-Technik, um Daten über Koaxialkabel zu senden. Dies bedeutet im Grunde nur, dass auf der Festplatte liegende Datenströme der jeweils an die Box zu übertragenen Aufnahmen wieder in einen Broadcast Stream zurückverwandelt werden (Re-Multiplexing). Die Settop-Box empfängt diesen Standard-DVB-Strom und zeigt ihn wie jede gewöhnliche DVB-Sendung auf dem angschlossenen Fernseher. Die Bedienung des PVRs, der ja die Daten liefern muss, kann dabei nach Aussage von Davies beispielsweise über Funk-Fernbedienungen laufen.

Nun ist die Idee nicht ganz so spannend, wenn man über die alte Settop-Box nicht die neuen Funktionen des Personal Video Recordings nutzen kann. Aber auch hier hatte Colin Davies bereits eine Lösung parat: Er präsentierte eine gewöhnliche, nicht modifizierte Settop-Box, mit der sich durch Druck auf die entsprechenden Tasten der Fernbedienung aufgezeichnete Programme nicht nur starten und anhalten ließen, sondern auch schneller Vor- wie Rücklauf sowie Zeitlupe möglich ist.

Da die Settop-Box für diese "Trick Modes" selbst nicht aufgerüstet werden sollen (andernfalls fehlte ja auch der Witz an der Sache), muss der angelieferte Datenstrom entsprechend manipuliert werden: Beim schnellen Vorlauf sucht ein Prozessor im PVR vor dem Re-Multiplexing zunächst das nächste I-Frame nach der Benutzereingabe und "reinigt" dieses -- was bedeutet, dass Daten vor und nach der Bildinformation entfernt werden. Nach einer folgenden Modifizierung des Picture Headers sucht der Chip das nächste I-Frame, reinigt auch dieses und hängt es an das vorherige an. Dieser Prozess läuft so lange weiter, bis der Nutzer wieder in den normalen Wiedergabemodus schaltet. Aus dem Abschnitt des eigentliche Datenstrom auf der Festplatte werden also praktisch alle I-Frames herausgetrennt, hintereinandergehängt und erst dann an die Settop-Box geschickt. Will der Benutzer im Film zurückspulen, werden die I-Frames eben in umgekehrter Reihenfolge aneinander gehängt. Soll schneller gespult werden, nimmt man wiederum nicht alle I-Frames. Der Settop-Box ist es schließlich egal, ob sie den Film ganz oder zusammengeschnitten erhält -- Hauptsache, der Datenstrom entspricht letztlich dem DVB-Standard, was Davies für die Technik garantiert. Tatsächlich funktionierte auch diese Funktionen bei der Vorführung einwandfrei.

Ganz unproblematisch ist das Verfahren allerdings nicht: I-Frames belegen eine so hohe Bandbreite, dass es bei dieser Methode zu Problemen bei der Übertragung kommen kann. Daher werden bei Engpässen notfalls leere Frames übertragen. Wirklich sichtbar ist dies aber nicht. Auf jeden Fall ist die Technik allerdings abhängig vom Abstand der I-Frames in dem aufgezeichneten Datenstrom. Nach Angaben von Colin Davies enthalten die meisten Aufzeichnung I-Frames alle 12 Bilder, sodass die übliche Geschwindigkeit für schnellen Vor- beziehungsweise Rücklauf bei 12X läge -- möchte man langsamere FF/FR-Funktionen ermöglichen, müssten Zwischenbilder eingefügt werden. Für eine Zeitlupe werden andererseits B-Frames wiederholt. Bei der erwähnten Demonstration präsentierte Colins eine Aufzeichnung des Films "Verrückt nach Mary" unter anderem in 6- und 12-facher Geschwindigkeit und im Zeitlupen-Tempo 1/4.

Was bleibt ist die Frage, was die Unterhaltungselektronik-Industrie von diesem Settop-Boxen-Recycling hält. Immerhin präsentiert sie auf der IFA Home Entertainment bereits Home Entertainment Netzwerke mit eigenen Streaming Clients. NDS will als Entwickler von Pay-TV-Techniken laut Colin Davies schließlich selbst keine entsprechend modifizierten PVRs anbieten. Auf Nachfrage von heise online zeigte er sich jedoch zuversichtlich, dass beide Ansätze nebeneinander auf dem Markt überleben könnten. (nij/ct) / (anw)