Krisen-PR bei der deutschen Wikipedia

Bei einer Podiumsdiskussion zur Prüf- und Löschpraxis in der deutschsprachigen Wikipedia hat CCC-Sprecher Frank Rieger eine Spaltung in zwei Teile vorgeschlagen – eine enzyklopädische mit strengen Löschkriterien, die "Encyclopedia Galactica", und eine lässigere, die auch Platz etwa für Popkultur bietet, die "Newpedia".

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Markus Kompa
  • Peter Mühlbauer

Nachdem die Behandlung eines Artikels über den Verein MOGIS eine Debatte über Löschexzesse in der deutschsprachigen Wikipedia anstieß und nicht nur Blogs, sondern auch konventionelle Medien dieses Thema aufgegriffen haben, hatte der Verein Wikimedia e.V. gestern Medienvertreter und Interessierte zu einer Podiumsdiskussion namens “Relevanz in der Diskussion – was kommt eigentlich in die Wikipedia und was nicht” in seinen Berliner Räumen geladen, die allerdings lediglich 42 Personen Platz bot.

Als Podiumsredner konnten die Wikipedia-Mitarbeiter Leon Weber und Martin Zeise sowie die Blogger Johnny Haeusler und Pavel Mayer sprechen, außerdem der CCC-Pressesprecher Frank Rieger. Felix von Leitner, der die Debatte mit angestoßen hatte, war erst nicht eingeladen worden und verzichtete auch nach einer Korrektur dieser Entscheidung auf eine Teilnahme.

Die Diskussion folgte überwiegend bekannten Mustern: Während der ehemalige Wikimedia-Chef Kurt Jansson, der mittlerweile beim Spiegel beschäftigt ist, von einer grundlegenden Irrelevanz und einem baldigen Ende der öffentlichen Kritik ausging, beklagte der Wikipedia-Administrator Leon Weber, dass er Artikel gar nicht mehr prüfen könne, weil sie vorher gelöscht würden. Blogger Pavel Mayer forderte deshalb metaphorisch, dass gelegentlich ein sich daneben benehmender "Wikipedia-Blockwart" als Leiche den Fluss runterschwimmen müsse, wenn man das Problem schwindender Beiträger beheben wolle. Frank Rieger schlug dagegen vor, unter einem gemeinsamen Dach zwei parallele Wikipedia-Versionen anzubieten – eine enzyklopädische mit strengen Löschkriterien, die "Encyclopedia Galactica", und eine lässigere, die auch Platz für Popkultur und Kurzlebiges bietet, die "Newpedia".

Bei der von Wikimedia-Geschäftsführer Pavel Richer geleiteten Podiumsdiskussion zog Bloggerin Anna Roth ("Annalist") Parallelen zum Projekt Indymedia und fragte sich, ob es sich möglicherweise um speziell deutsche Phänomene handelt, die zu einem Scheitern am gleichen sozialen Mechanismus führen. Burkhard Schröder kritisierte vor allem die Wiki-Hierarchie mit ihren informellen Netzwerken, die an Strukturen anderer Vereine erinnerten, wo weniger Fähigkeiten als Kontakte über Positionen entscheiden. Andere Teilnehmer bemängelten, dass es keine Überprüfung der Einhaltung der Relevanz-Kriterien gibt, wenn Artikel gelöscht werden und fragten, "wer die Kontrolleure kontrolliert".

Siehe dazu in Telepolis:

(pem)