Sommer, Sonne, Wasserstoff

Deutsche Forscher erzeugen in Spanien mithilfe von konzentriertem Sonnenlicht umweltfreundlich Wasserstoff - ohne Umweg über die Elektrolyse.

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Von
  • Anette Weingärtner

Dieser Text ist der Print-Ausgabe 11/2009 von Technologie Review entnommen. Das Heft kann, genauso wie ältere Ausgaben, hier online portokostenfrei bestellt werden.

Deutsche Forscher erzeugen in Spanien mithilfe von konzentriertem Sonnenlicht umweltfreundlich Wasserstoff – ohne Umweg über die Elektrolyse.

Noch werden die meisten Autos mit Benzin oder Diesel betrieben – mit den bekannten fatalen Folgen für die Umwelt. Und das, obwohl schon seit den neunziger Jahren der Individualverkehr sauber werden sollte: durch den CO2-freien Energieträger Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energie hergestellt wird. Wenn Wasserstoff in Kombination mit einer Brennstoffzelle zum Antrieb eines Fahrzeuges eingesetzt wird, kommt nur Wasserdampf aus dem Auspuff.

Doch die Vision hatte schon damals einen Schönheitsfehler – die Herstellung des Wasserstoffs. Der ließe sich, so die ursprüngliche Idee, mithilfe von Strom aus Wasser produzieren. Der Strom für diese sogenannte Hydrolyse sollte aus gigantischen Solarstromanlagen in der Wüste kommen. Energetisch ist diese Idee wenig zukunftsweisend – viel besser ist es da, die Fahrzeuge gleich mit Strom anzutreiben.

Bevor das Wasserstoff-Zeitalter beginnen kann, muss da-her ein energieeffizientes Verfahren entwickelt werden, um das Gas herzustellen. Ein existierendes, die sogenannte Methanreformierung, bei der Erdgas unter Druck und bei hoher Temperatur mit Wasserdampf zu Kohlenmonoxid und Wasserstoff aufgebrochen wird, hat einen gravierenden Nachteil: Um die Energie für diesen Prozess bereitzustellen, wird ein Teil des Erdgases verbrannt – dabei entsteht CO2.

Weltweit wird daher an alternativen Verfahren zur Wasserstoffgewinnung gearbeitet. Forscher vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind dabei nun einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Im Projekt Hydrosol erzeugen sie Wasserstoff mithilfe der Sonne.

Für ihre Tests nutzten die Forscher das Solarturmkraftwerk der Plataforma Solar de Almería in Spanien, die in den 80er-Jahren zur Erforschung der solaren Energienutzung gegründet wurde: Auf dem 100 Hektar großen Testgelände sind insgesamt rund 20000 Quadratmeter Heliostatenfelder aufgebaut: Hunderte von Spiegeln, die sich computergesteuert so ausrichten, dass Sonnenlicht auf zentralen Empfängern konzentriert werden kann. Für das Hydrosol-Projekt haben die Forscher zwei Absorberkammern in einen der Türme eingebaut. Diese sind mit einer Wabenstruktur aus Siliziumkarbid ausgekleidet – ein besonders temperaturbeständiges Material mit guter Wärmeleitfähigkeit.

Für die Wasserstoffsynthese haben die Forscher die keramische Wabenstruktur mit Eisenmischoxiden beschichtet. Heizen die konzentrierten Solarstrahlen diese Absorberstruktur auf 1200 Grad Celsius auf, gibt die Beschichtung einen Teil des enthaltenen Sauerstoffs ab. Leitet man nun anschließend kühleren Wasserdampf über die Keramik, holt sich die Beschichtung den fehlenden Sauerstoff aus dem Wasser zurück – übrig bleibt Wasserstoff, der aus der Kammer strömt. Damit der Prozess kontinuierlich abläuft, haben die DLR-Forscher eine trickreiche Steuerung entwickelt: Eine der beiden Kammern wird jeweils auf 1200 Grad hochgeheizt, um den Sauerstoff aus der Beschichtung zu bekommen, während in der zweiten Kammer bei 800 Grad der Wasserstoff erzeugt wird. Dann wird getauscht.

Das Funktionsprinzip hatten die Wissenschaftler bereits vor einigen Jahren am Sonnenofen des DLR in Köln getestet – in Spanien konnten sie im vergangenen Jahr zeigen, dass die Technologie sich "hochskalieren" lässt und der Reaktor auch im Dauerbetrieb stabil bleibt. Rund drei Kilogramm Wasserstoff haben die Forscher pro Tag produziert, obwohl das System sich noch im experimentellen Stadium befindet und daher nicht auf optimalen Ertrag ausgerichtet ist. "Derzeit sind wir vor allem damit beschäftigt, noch einige Betriebsparameter zu verbessern", sagt Martin Roeb, einer der am Projekt beteiligten Wissenschaftler vom DLR.

Im Großen und Ganzen sind die Forscher aber sehr optimistisch: Im nächsten Schritt wollen sie eine Anlage mit einer Leistung von mehr als einem Megawatt bauen. "Sie soll innerhalb der nächsten drei Jahre auf einem Solarturm in Almería oder auch in Jülich realisiert werden", sagt Roeb.

Derzeit kann die Hydrosol-Technologie allerdings mit anderen, auf fossilen Rohstoffen basierenden Verfahren ökonomisch nicht mithalten. "Dafür sind die bei Hydrosol anfallenden Produktionskosten einfach noch zu hoch", sagt Sebastian Schröer, energiepolitischer Experte am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). Ab welchem Ölpreis das Verfahren wirtschaftlich wird, dazu gebe es derzeit noch keine empirisch fundierten Aussagen. Voraussetzung dafür wäre aber eine Anwendung im großtechnischen Maßstab: "Bei Anlagen im 100-kW-Bereich würden die Prozesskosten die erzielten Ergebnisse bei Weitem übertreffen", sagt Schröer. "Ohne eine Einspeisevergütung würde sich das Hydrosol-Verfahren derzeit nicht rechnen", räumt auch Martin Roeb ein. An dieser Situation könne sich jedoch in einigen Jahren etwas ändern. Denn zum einen seien die Kosten für Erdöl oder Erdgas höher als die von Wasser. "Außerdem ist damit zu rechnen, dass die Kosten für die Spiegel und auch für das Eisenmischoxid sinken werden." (bsc)