Die unvergessliche App

So genannte "Adaptive Learning"-Algorithmen berechnen, wie oft Menschen Informationen wiederholen müssen, bevor sie sich an sie erinnern. Eine entsprechende Anwendung ist nun für das iPhone erschienen.

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Von
  • Erica Naone

So genannte "Adaptive Learning"-Algorithmen berechnen, wie oft Menschen Informationen wiederholen müssen, bevor sie sich an sie erinnern. Eine entsprechende Anwendung ist nun für das iPhone erschienen.

Eine neuartige Lernanwendung, die in Japan bereits äußerst erfolgreich ist, kommt nun auch in Europa und den USA auf den Markt – in Form einer App für das iPhone. Smart.fm, hergestellt vom Tokioter Unternehmen Cerego, will seinen Benutzern mit einem so genannten "Adaptive Learning"-Algorithmus helfen, die unterschiedlichsten Informationsarten besser im Gedächtnis zu behalten.

Cerego ist nur eine von mehreren Firmen, die sich an solcher Software versuchen, allerdings gilt Smart.fm als bislang flexibelste. Die Inspiration seien wissenschaftliche Erkenntnisse gewesen, die zeigten, dass Menschen besser lernen, wenn sie Informationen zum richtigen Zeitpunkt abspeichern, sagt Cerego-Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender Andrew Smith Lewis.

Die von Smart.fm eingesetzten Algorithmen bestimmen, wie oft ein bestimmter Informationsbrocken dem Nutzer präsentiert wird und in welchem Kontext dies geschieht. Beispielsweise kann ein für den Lernenden vollständig neues Wort und seine Übersetzung häufiger präsentiert werden. Relativ einfache Fragen, die zum Kontext passen, trainieren dann das Gedächtnis. Sobald der Nutzer dann demonstriert hat, dass er das Wort und seine Bedeutung behalten kann, taucht die Information wieder weniger häufig auf. "Dabei geht es hauptsächlich um Effizienz", sagt Lewis. Man wolle den genau richtigen Bereich zwischen minimaler Lerndauer und maximalem Lernerfolg treffen.

Um Smart.fm zu verwenden, selektiert der Nutzer zunächst aus einer Liste vorhandener Lernmaterialien – ein Fremdwörterbuch beispielsweise – oder er baut sich selbst seine Liste auf. Diese kann aus reinem Text bestehen oder auch aus Bildern und Tonclips. Der Nutzer könnte beispielsweise die Namen von Vogelarten mit ihren Stimmen korrelieren oder Bilder verschiedener Teile des menschlichen Gehirns einspeisen, um deren Bedeutung zu erlernen. Hat man ein schlechtes Namensgedächtnis, ließen sich auch Fotos etwa auf einer Konferenz schießen, die dann mit der Bezeichnung der jeweiligen Person abgeglichen werden.

"Lernanwendungen, die Stimuli angepasst an die Vergesslichkeitskurve des Menschen nutzen, sind zwar nichts wirklich neues, kommen aber dennoch eher selten vor", sagt Peter Brusilovsky, Direktor des "Personalized Adaptive Web Systems Lab" am Institut für Informationswissenschaften der University of Pittsburgh. Das besonders an Smart.fm sei, dass sich die Lernmethode an jede Form von Material anpassen lasse. "Die Adaptive-Learning-Plattform braucht nicht zu wissen, ob man nun russische Maler studiert, die besten Schachzüge oder französische Verben. Sie kennt die Dinge nur als einzelne Objekte."

Hinzu kommt bei Smart.fm noch ein sozialer Aspekt im Web 2.0-Stil: Nutzer können ihre Listen mit anderen Usern teilen oder bestehende Listen anderer kommentieren. In Zukunft soll es außerdem noch leichter werden, Informationen in Smart.fm einzulesen. So arbeitet Cerego an einer Integration der freien Website Freebase, die nutzergenerierte Datenbanken sammelt. Sobald die Anbindung steht, können Interessierte alle dort vorhandenen Inhalte automatisch in Smart.fm einlesen.

"Bildungsanwendungen sind eine der interessantesten und am schnellsten wachsenden Kategorien im iPhone App Store", meint Carl Howe, auf mobile Anwendungen spezialisierter Analyst bei der Yankee Group. An Smart.fm sei vor allem clever, dass der Fokus des nutzbaren Materials so breit sei – und nicht nur beispielsweise beim Sprachenlernen liege. "Der zentrale Punkt bei Bildungs-Apps liegt darin, das Interesse der Leute zu halten."

Howe zufolge sind die meisten Bildungsanwendungen im App Store derzeit für Kinder zwischen dem Grundschul- und frühen Gymnasialalter gedacht. Er sieht aber auch große Chancen für Material auf Universitätsniveau. Allerdings bekämen die Konkurrenz von renommierten Hochschulen wie MIT oder Stanford, die Podcasts ihrer Vorlesungen kostenlos bei iTunes einstellten.

Das Geschäftsmodell hinter Smart.fm basiert hauptsächlich auf der Möglichkeit, Kooperationen mit Firmen und Institutionen einzugehen, die Online-Learning-Angebote starten wollen. So arbeitet Cerego mit dem japanischen Telekommunikationsriesen NTT zusammen, der auf Smart.fm aufbauende Lern-Websites geschaffen hat.

Lewis hofft, dass solche Deals zum Hauptumsatzbringer für die Firma werden. Allerdings könne auch die iPhone-App Smart.fm über Premium-Angebote selbst zur Geldquelle werden. Derzeit ist die Standardversion noch kostenlos – und soll es auch bleiben. (bsc)