Sun greift Microsoft am Desktop an

Für eine Jahresgebühr von 100 US-Dollar pro System sollen Unternehmenskunden auf das neue Softwaregebinde Java Desktop umsteigen.

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Von
  • Erich Bonnert

Linux, StarOffice, Mozilla-Browser und Real-Videoplayer sowie quelloffene Programme für Instant-Messaging und Groupware sind im Java Desktop zusammengefasst. Dieses Angebot hat Sun unter dem Codenamen "Mad Hatter" entwickelt und bisher in Testversionen verbreitet. Zwischen 60 und 80 Prozent ihrer Gesamtkosten werden Unternehmen damit im Vergleich zu Microsofts Windows- und Office-Programmen sparen, rechnete Suns Software-Chef Jonathan Schwartz bei der Präsentation in San Francisco vor. Bei vergleichbarem Funktionsumfang müssten Anwender nämlich über 700 US-Dollar für die Microsoft-Lösung hinlegen, behauptete Schwartz.

Ähnliche Vorteile verspricht Schwartz mit dem neu strukturierten Software-Angebot für Server: Java Enterprise (bisher: "Orion"). Dem liegt ebenfalls Linux zu Grunde. Dazu kommen Mail-Server, Kalender- und Groupware-Anwendungen, Benutzerverwaltung sowie Cluster- und Java-Umgebungen. Die Anwendungen werden hier von einem zentralen Server aus gestartet und können von mehreren Anwendern gleichzeitig genutzt werden. Hier legt Sun einen Preis von 100 US-Dollar pro Firmenmitarbeiter zu Grunde; ein weitaus ungenaueres Maß als die Zahl der installierten Computer, doch Sun will dabei ganz auf die Ehrlichkeit der Kunden vertrauen: "Wenn sie uns mailen, wie viele Leute bei ihnen beschäftigt sind, glauben wir ihnen das", versicherte Vorstandschef Scott McNealy. "Wir werden niemandem die Business Software Alliance zum Schnüffeln ins Haus schicken." Server- und Desktop-Paket zusammen sind für 150 US-Dollar zu haben. Im Preis sind Service, Support, Aktualisierungen im Quartalsrhythmus und Training eingeschlossen. Unbegrenzter Support bedeutet dies allerdings nicht, betonte Suns Software-Chef Jonathan Schwartz. Details zum Service-Umfang wollte er aber nicht nennen. Näheres wird daher wohl das Kleingedruckte im Lizenzvertrag regeln.

Warum sich Sun überhaupt im Markt für Desktop-Software mit Microsoft anlegt, ist vielen Fachleuten ein Rätsel. Klar ist, dass der Unix-Server-Hersteller seine schwindenden Hardware-Umsätze ankurbeln muss. Als Desktop-Plattform nimmt Linux mit etwa fünf Prozent Marktanteil eine Randposition ein. Dafür wird das quelloffene Betriebssystem als Plattform für Einstiegsserver immer beliebter und verzeichnet Zuwächse von über 30 Prozent. Sun hat bereits mehrere Versuche unternommen, Anwender mit preisgünstigeren Alternativen von der Windows-Plattform wegzulocken. Dazu gehören unter anderem der Netzwerk-Computer Java-Station und die Sunray-Terminals, die Sun seit 1999 herstellt. So präsentierte Sun am Dienstag auch eine neue Sunray-Version mit verbesserter Grafik und Protokollen für langsamere Netzverbindungen. Verkauft wurden bisher ganze 300.000 Sunray-Systeme, musste McNealy bekennen -- im Vergleich zum PC-Absatz von jährlich 100 Millionen Stück eine geringe Zahl.

Ebenso lange haben die Kalifornier auch die StarOffice-Suite im Angebot, die bereits kostenlos zum Download und für 10 US-Dollar als CD verbreitet wurde. Immerhin 40 Millionen mal soll StarOffice installiert worden sein. Meist werden die Programme allerdings unter Windows genutzt. So dürfte auch für den neuen Java Desktop der erforderliche Umstieg von Windows auf Linux das größte Hindernis sein.

McNealy stellte daher bei seiner Präsentation in San Francisco das Kostenargument groß heraus. Generell seien IT-Lösungen nach seiner Ansicht etwa um den Faktor 10 zu teuer. Diese Kosten werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren aus der Branche herausgepresst, erwartet McNealy. Gebinde aus Software und Services wie die jetzt angebotenen Linux-Desktop- und Server-Editionen seien ein wesentlicher Schritt dahin.

Sollte damit Intels Hardware jedoch weiter in unternehmenskritische Anwendungen vorstoßen, könnte Sun allerdings Einbußen bei der bisher lukrativen eigenen Hardware-Plattform erleiden. Die Kalifornier können daher bestenfalls daran interessiert sein, Linux auf dem Desktop-Markt und bei kleinen Server-Lösungen in Positionen zu bringen, um Windows zu schwächen. Die gewinnträchtigen stärkeren Unix-Systeme sollen möglichst mit Solaris laufen.

Bei allem Eifer, Linux-Lösungen gegenüber der Microsoft-Plattform voranzutreiben, hat Sun daher eine ganz spezielle Bremse eingebaut. Es handelt sich weniger um eine Produktstrategie als um eine Trittbretttaktik im Windschatten der Ansprüche von SCO gegen Linux-Anwender: Nur für die Desktop-Software steht Sun mit der eigens erworbenen Unix-Lizenz für die Integrität der Linux-Distribution, einer hauseigenen Adaption, ein. Vor etwaigen Lizenzforderungen durch SCO beispielsweise verspricht Sun dabei seinen Kunden Schutz. Für die Server-Edition, die mit SuSe oder Red Hat Linux ausgeliefert wird, gilt dies ausdrücklich nicht. (Erich Bonnert) / (anw)