Strafanzeigen gegen SchülerVZ-Mitarbeiter [Update]

Nach dem Selbstmord eines der versuchten Erpressung beschuldigten 20-Jährigen hat dessen Anwalt nun Strafanzeigen gegen Mitarbeiter des Plattformbetreibers VZnet wegen Falschaussage und falscher Verdächtigung gestellt.

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In der Affäre um die bei SchülerVZ gesammelten Daten und den anschließenden Selbstmord des der Erpressung verdächtigten 20-jährigen Erlangers hat der Verteidiger des Verstorbenen Strafanzeige gegen Mitarbeiter des Community-Betreibers VZnet Netzwerke gestellt. Gegen einen Mitarbeiter habe er Strafanzeige wegen des Verdachts der "falschen uneidlichen Aussage" gestellt, teilte Rechtsanwalt Ulrich Dost am heutigen Freitag in Berlin mit. Gegen vier Mitarbeiter des Netzwerkbetreibers richtet sich zudem eine Anzeige wegen falscher Verdächtigung. Er könne sich "des Eindrucks nicht erwehren, dass die tatsächlichen Umstände durch die Unternehmensmitarbeiter gegenüber den Ermittlungsbehörden verdunkelt werden sollten", heißt es in der Mitteilung des Anwalts. VZnet hat eine Bitte um Stellungnahme nicht beantwortet.

Dabei geht es um die Angaben bezüglich finanzieller Angebote, die VZ-Mitarbeiter nach der Festnahme des Verdächtigen gegenüber den Behörden gemacht haben. "Angebote finanzieller Art haben wir nicht gemacht", zitiert Dost aus dem Vernehmungsprotokoll eines Mitarbeiters. Das widerspreche dem ebenfalls in den Ermittlungsakten abgelegten Protokoll des Chats, in dem der Mitarbeiter mehrfach mögliche Zahlungen ins Spiel gebracht haben soll: "Wenn wir das schaffen, darf uns das auch was kosten."

Der Anwalt, der mit den Strafanzeigen ein Zeichen setzen will, wirft weiteren Mitarbeitern des Unternehmens zudem falsche Verdächtigung vor. Dem Unternehmen sei offenbar klar gewesen, dass es sich um öffentliche, für jeden Nutzer zugängliche Daten gehandelt habe. Das habe ein Mitarbeiter von SchülerVZ in seiner Unterhaltung mit dem Verdächtigen bestätigt und das Unternehmen anschließend öffentlich erklärt. Eine strafbare Handlung des Ausspähens von Daten habe auch deshalb nicht vorgelegen, weil die fraglichen Daten nicht gegen unberechtigten Zugang gesichert waren und zum Herunterladen die Überwindung von Zugangssicherungen nicht nötig gewesen sei.

"Diese Umstände verheimlichten die Unternehmensmitarbeiter gegenüber den Ermittlungsbehörden", erklärt Rechtsanwalt Dost. Stattdessen hätte eine Mitarbeiterin wider besseres Wissen gegenüber der Polizei erklärt, sie sehe die "Tatbestände des Ausspähens von Daten als erfüllt" an. Zudem widerspricht der Verteidiger erneut dem von VZnet erhobenen Erpressungsvorwurf, der ebenfalls den "Verdacht einer falschen Verdächtigung" aufkommen lasse. VZnet habe "unbezifferte, aber dennoch eindeutige Zahlungsangebote" gemacht. Darauf habe auch der Verdächtige in seiner Vernehmung hingewiesen.

Es bestünden also "erhebliche Bedenken am Vorliegen des subjektiven Tatbestands der Erpressung", zumal nach Aussage des Verdächtigen beide Seiten am späten Abend des fraglichen Sonntags bereits Einigkeit über die Zahlung von 80.000 Euro erzielt hätten und dazu auch ein Vertragsentwurf aufgesetzt worden sein soll. Darauf weise auch eine handschriftliche Notiz aus den Ermittlungsunterlagen hin, in der jemand "Vertrag über Zahlung" vermerkt habe.

Insgesamt waren laut Dost vier Mitarbeiter direkt in die Verhandlungen mit dem 20-Jährigen einbezogen. Nach Informationen von heise online waren darunter neben dem CTO auch eine Mitarbeiterin der Rechtsabteilung sowie ein Mitglied der Geschäftsführung. VZnet weist die Vorwürfe bisher zurück und erklärte, es sei "zu keinem Zeitpunkt" ein "Zahlungsangebot oder gar Schweigegeldangebot" gemacht worden. Weiter macht das Unternehmen keine Angaben, bezeichnete Informationen über eine direkte Beteiligung von CEO Markus Berger-de León an den Verhandlungen gegenüber heise online allerdings als falsch.

Der 20-jährige aus Erlangen hatte sich Zugang zu Daten der Nutzer des Netzwerks verschafft und war unter dem Vorwurf einer versuchten Erpressung festgenommen worden. Der junge Mann hatte sich nach zwei Wochen in der Untersuchungshaft in Berlin Plötzensee das Leben genommen. Nach Justizangaben habe es keine Anzeichen gegeben, die auf etwaige Suizidgefahr hindeuteten. Er habe einen "lockeren und aufgeschlossenen Eindruck" gemacht. Allerdings war den Behörden wohl ein Gutachten bekannt, dass dem 20-Jährigen eine Persönlichkeitsstörung attestierte. Zudem ist inzwischen bekannt, dass der Erlanger kein gänzlich unbeschriebenes Blatt war. Er hatte wegen Betrügereien auf eBay bereits einmal in Untersuchungshaft gesessen.

[Update]:
Wie SchülerVZ dem Heise Zeitschriften Verlag inzwischen per Anwaltsschreiben mitteilen ließ, hat die Staatsanwaltschaft Berlin die eingeleiteten Ermittlungsverfahren inzwischen nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Siehe dazu auch:

(vbr)