WSIS: "Regierungen, hört uns zu oder lasst uns alleine..."

Die Nicht-Regierungsorganisationen und Zivilgesellschaftsgruppen beurteilen den Stand der Vorbereitungen zum UN-Weltgipfel für Informationsgesellschaft skeptisch.

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Von
  • Monika Ermert

Die NGOs beurteilen den Stand der Vorbereitungen zum UN-Weltgipfel für Informationsgesellschaft skeptisch; die wenigen Erfolge der Zivilgesellschaftsgruppen, etwa die Aufnahme von freier Software in die Erklärung, stehen möglicherweise wieder auf dem Spiel. Mindestens ein weiteres Vorbereitungstreffen für den Weltgipfel der Informationsgesellschaft muss es geben, verkündete Verhandlungsleiter Adama Samassekou. Nach zwei Wochen Verhandlungsmarathon brach am Freitagabend ein heftiger Streit über Grundsatzpositionen und das Prozedere unter den Regierungsdelegationen aus. Nur mit Mühe gelang es Samassekou, die dritte Vorbereitungskonferenz einigermaßen geordnet zu beenden. Jetzt müssen die Gipfelteilnehmer zwischen dem 10. und 14. November nachsitzen.

Eigentlich wollten die Delegationen bei der 3. Vorbereitungskonferenz die beiden Hauptdokumente für den Gipfel, die Grundsatzerklärung und den Aktionsplan, dieses Mal abschließen. Doch schon am Freitagmorgen war klar, dass man bei einer Reihe von Fragen vom abschließenden Konsens noch deutlich entfernt ist. Vor allem bei der Finanzierung, dem Recht auf Informationsfreiheit im weitesten Sinn und beim Spezialthema Netzverwaltung ist man von einem Konsens noch weit entfernt. Als Samassekou den aktuellen Entwurf der Grundsatzerklärung zur Basis für die neu eingeplanten Zusatzsitzungen verabschieden lassen wolle, kam es zum Eklat.

Das Dokument enthalte nicht die in den Arbeitsgruppen erzielten Ergebnisse, beklagte sich der Vertreter der syrischen Regierungsdelegation. Ein kenianisches Delegationsmitglied kritisierte, dass sein Vorschlag, die ITU mit einem Entwurf für das Netzmanagement zu beauftragen, unterschlagen worden sei. Transparenz und Informationszugangsfreiheit werde wohl nicht einmal auf dem Gipfel selbst realisiert. Selbst Kanadas Delegationsleiterin monierte, dass über die Grundlage für weitere Verhandlungen erst abgestimmt werden könne, wenn diese auch allen Delegierten vorliege. Das WSIS-Sekretariat kam kaum nach mit zusätzlichen Annexen und Addenda.

Ob die geplanten Zusatzsitzungen am Ende das gewünschte Ergebnis bringen, bleibt spannend. Vor allem afrikanische Vertreter warnten am Freitag davor, dass zusätzliche Sitzungen ihre eigenen finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Vor allem Samassekous Idee, zwei weitere Treffen zu veranstalten, stieß auf Widerstand. "Damit wird ein finanzieller Filter für die Teilnahme schaffen", warnte ein Vertreter. Insgesamt steht man vor einem Finanzierungsproblem. Die ITU, die bislang Räume und Manpower zur Verfügung gestellt hatte, habe ihre Mittel erschöpft, sagte Samassekou.

Auch für die zivilgesellschaftlichen Gruppen stellen die Extrarunden eine beträchtliche finanzielle Belastung dar. Zum November-Treffen wird zum Beispiel die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung voraussichtlich nur noch einen anstelle von vier Vertretern nach Genf schicken, sagte Ralf Bendrath, Webmaster der Böll-Gipfelseite. Doch damit stehen die wenigen Erfolge in inhaltlicher Sicht, etwa die Aufnahme von freier Software in die Erklärung, wieder auf dem Spiel. Leicht können sie dann wieder in den Schubladen verschwinden.

Die NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) schwankten in ihrer Abschlussbewertung der Runde 3 beträchtlich. Die Abschlusspressemitteilung wurde mehrfach verändert. Am Ende -- wohl unter dem Eindruck der abschließenden chaotischen Plenarsitzung -- schlug man einen kritischen Ton an. Man werde dem Prozess nicht um jeden Preis Legitimität verleihen und bereite auf jeden Fall eine eigenen Deklaration vor. Von 31 Essentials der Zivilgesellschaften, so rechnet Bendrath vor, wurden lediglich 3 berücksichtigt, 14 wurden zunächst zurückgestellt und 13 komplett abgewiesen. Trotz der erklärten Fortschritte bei der Zusammenarbeit zwischen europäischen Regierungsvertretern und den europäischen NGOs, titelte der Böll-Abschlussbericht der Heinrich-Böll-Stiftung daher frei nach John Perry Barlow: "Regierungen, hört uns zu oder lasst uns alleine im Informationszeitalter!"

Zum Weltgipfel für die Informationsgesellschaft siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)