T-Online: die Kriechspur zur Datenautobahn

In seiner Werbung vermittelt Börsenkandidat Telekom den Eindruck, die deutsche Datenautobahn erfunden zu haben.

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Von
  • Christian Persson

In seiner Werbung vermittelt Börsenkandidat Telekom den Eindruck, die deutsche Datenautobahn erfunden zu haben. Im c't-Test dagegen erwies sich der Internet-Zugang über den Telekomdienst T-Online als eine Art Kriechspur, auf dem man sich allenfalls im Schrittempo bewegt, während der übrige Verkehr an einem vorbeirauscht.

c't hat mit mehr als 100000 Messungen die Internet-Zugänge aller großen Provider auf Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit geprüft. In München und Hannover richtete die Redaktion ferngesteuerte Meßstationen ein, die über schnelle Modems und ISDN-Leitungen Daten aus dem Internet abriefen.

Der T-Online-Zugang erwies sich dabei als der mit Abstand schwächste und teuerste. Obendrein war er extrem unzuverlässig: 84 % aller Einwahlversuche führten zu Problemen - entweder kam die Verbindung innerhalb des großzügig gesteckten Zeitrahmens von 30 Sekunden gar nicht erst zustande oder sie brach aufgrund von Fehlern ab. Dabei unterschied sich die Qualität des ISDN-Zugangs kaum von dem des analogen (über Modem). "Der Alptraum der Internet-Surfer: mit T-Online ins Netz", schreibt c't.

Um beispielsweise die aktuelle Navigator-Version von der Netscape-Homepage herunterzuladen, müßte der T-Online-Kunde mit einem Zeitbedarf von rund vier Stunden und Gebühren zwischen 17 und 26 Mark rechnen - vorausgesetzt, die Verbindung bleibt überhaupt solange bestehen, was nach den c't-Ergebnissen höchst unwahrscheinlich ist. Über einen der guten Internet-Anbieter wäre der Download in 30 bis 40 Minuten zu bewerkstelligen. Bei diesem Berechnungsbeispiel sind die ermittelten durchschnittlichen Transferraten zugrundegelegt.

Erfreulicherweise haben etliche Internet-Anbieter seit dem letzten c't-Test vor einem knappen Jahr ihre Leistung verbessert und dabei ihre Preise noch gesenkt. Im Spitzenfeld lagen EUnet, IPF, MSN, Nacamar, PNet und Topnet. Sie bieten zum Teil unterschiedliche Preismodelle, aus denen der Privatkunde sich ein auf seine AnsprĂĽche passendes heraussuchen sollte. In der aktuellen c't-Ausgabe 11/96 sind alle Angebote im Detail aufgeschlĂĽsselt.

Telekom-Sprecher Jürgen Homeyer bezweifelte gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) die Allgemeingültigkeit des c't-Tests: "Zu bestimmten Tageszeiten gibt es Verkehrsspitzen. Das ist aber kein Dauerzustand." Das enorme Wachstum von T-Online und der steigende Grad der Internetnutzung habe aber "vereinzelt zu gewissen Engpässen" geführt.

Demgegenüber betont c't, daß es sich bei den Angaben um Mittelwerte aus über 1000 Messungen pro Zugang handelt, die an allen Wochentagen rund um die Uhr vorgenommen wurden. Wenn T-Online mit den Wachstumsraten nicht zurechtkommt, sollte sie aufhören, das Internet so massiv in ihrer Werbung zu vermarkten. Besonders bedenklich ist: Bei der Abrechnung nach Zeittakt (Telefongebühr + T-Online-Gebühr + Internetzugangs-Gebühr) kann T-Online umso mehr kassieren, je schlechter die gebotene Leistung ist.

In einer weiteren Stellungnahme erklärte T-Online, die ermittelten Werte beträfen nur OS/2- und Macintosh-Anwender, da nur diese über das SLIP-Protokoll bedient würden, das c't auch für die Messungen verwendet hat. Die Zugänge für die Mehrheit der Anwender, die den T-Online-Dekoder für Windows 95 benutzten, seien aber jetzt beschleunigt worden. Wann diese Verbesserung vorgenommen wurde und ob sie bereits flächendeckend wirksam ist, war zunächst nicht zu erfahren. Der SLIP-Zugang solle im November ausgebaut werden.

Eine erste Überprüfung über einen schnellen Modem-Zugang (28800 bps) in Hannover ergab, daß Daten von einigen deutschen Web-Seiten tatsächlich zeitweise mit einer Übertragungsrate von rund 1,5 KByte/s geladen werden konnten. Bei einigen US-amerikanischen Seiten blieb es jedoch bei Werten um 0,45 KByte/s. Bei der Mehrzahl der Versuche kam die Übertragung allerdings ins Stocken, und das 30-Sekunden-Limit wurde überschritten. c't wird die neuen Verhältnisse in einer weiteren Testreihe untersuchen. (cp)