EU-Parlament winkt neues Telecom-Paket durch

Die Abgeordneten haben in 3. Lesung das Richtlinienpaket zur Novellierung des Regulierungsrahmens für Telekommunikationsnetze verabschiedet, das etwa Vorgaben für Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen und zum Datenschutz mit sich bringt.

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Das EU-Parlament hat am heutigen Dienstag in 3. Lesung das lange umstrittene Richtlinienpaket zur Novellierung des Regulierungsrahmens für Telekommunikationsnetze mit großer Mehrheit verabschiedet. Die Absegnung des vor über zwei Jahren von der EU-Kommission gestarteten Vorhabens war letztlich nur noch eine Formsache. Die Einigung über den zuletzt verbliebenen Streitpunkt des Grundrechtsschutzes bei nationalen Maßnahmen zum Sperren von Internetzugängen bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen war bereits Anfang November im Vermittlungsausschuss zwischen Verhandlungsführern der Abgeordneten und des EU-Rats erfolgt.

Der Kompromiss bei der Klausel für eine "abgestufte Erwiderung" auf Copyright-Verstöße sieht vor, dass Maßnahmen der Mitgliedsstaaten rund um den Zugang zu oder die Nutzung von Diensten und Applikationen in elektronischen Netzwerken die in der Europäischen Menschenrechtskonvention und im Gemeinschaftsrecht dargelegten Grundrechte beachten sollen. Zudem wird den EU-Ländern nahegelegt, vor dem Griff zu Mitteln wie dem Kappen von Internetzugängen gemäß dem "Three Strikes"-Modell ("drei Urheberrechtsverletzungen, und du bist raus ...") den Nutzern ein "faires und unparteiisches Verfahren" zu garantieren. Ferner soll das Recht auf eine "effektive und zeitnahe gerichtliche Überprüfung" einer entsprechenden Maßnahme zugesichert werden. Rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und das Recht auf Privatsphäre seien zu respektieren.

Eva-Britt Svensson von der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken, die gegen das Telecom-Paket stimmte, bezeichnete den erzielten Schutz für die Bürger vor den Behörden und den Providern als "nicht ausreichend". Die Absprache erlaube es Telcos, "Beschränkungen" des Netzverkehrs einzuführen. Bei der Achtung der Grundrechte dürfe es aber keine faulen Kompromisse geben. Auch Bürgerrechtsorganisationen geht das Paket in diesem Bereich nicht weit genug.

Recht allgemein sind ebenfalls die Bestimmungen zur Netzneutralität ausgefallen. Demnach haben Netzbetreiber Kunden über eingesetzte Verfahren zum "Verkehrsmanagement" allein zu informieren. Vor zu starken Begrenzungen einzelner Anwendungen wie zum Beispiel Filesharing oder Internet-Telefonie soll vor allem der Markt die Verbraucher bewahren. Zusätzlich können die nationalen Regulierer Mindestanforderungen an die zu erbringende Dienstequalität bei Zugangsleistungen aufstellen. Die EU-Kommission soll über diesen Prozess wachen und dem Parlament in einem Jahr Bericht erstatten.

Weiterer Kernbestandteil des neuen Rechtsrahmens ist die Reform der Richtlinie über den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation. Diensteanbieter werden damit erstmals zur Information über Datenpannen verpflichtet. Die "E-Privacy-Direktive" enthält auch Auflagen zur Speicherung von oder zum Zugriff auf Daten, die bereits – etwa über Cookies – im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind. Auf Ebene der Verbraucherrechte gilt künftig, dass Werber für das automatisierte Versenden ihrer Reklamebotschaften per E-Mail, Fax, SMS oder MMS sowie für maschinelle Marketinganrufe eine vorherige Zustimmung der Kunden einholen müssen. Dazu kommt der Anspruch auf einen Anbieterwechsel bei Erhalt einer Telefonnummer innerhalb eines Arbeitstages oder die Begrenzung maximaler Vertragslaufzeiten auf zwei Jahre.

Nicht zuletzt wird eine übergeordnete Regulierungsinstitution eingerichtet, die auf den sperrigen Namen "Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation" (GEREK) hört. "Die Schaffung eines bürokratischen Super-Regulierers ist damit vom Tisch", freut sich der Präsident des Hightech-Verbands Bitkom, August-Wilhelm Scheer, über die hier erreichten Änderungen. Generell schaffe die Reform "Rechts- und Planungssicherheit für die nächsten zehn Jahre". Das gelte etwa für den Ausbau von Breitband-Netzen der nächsten Generation. Regulierungsbehörden müssten bei ihren Entscheidungen künftig die Investitionsrisiken der Anbieter angemessen anerkennen und Kooperationen zwischen Wettbewerbern zulassen. Auch der VATM begrüßte die Verabschiedung des Telecom-Pakets: "Damit herrscht nach mehr als zwei Jahren harten Ringens endlich mehr Rechtssicherheit für Investitionen in die schnellen Glasfaser- und Drahtlosnetze in den europäischen Telekommunikationsmärkten."

Am heutigen Abend wird Parlamentsberichterstatterin Catherine Trautmann zwischen 18:00 und 18:40 Uhr den Nutzern auf der Facebook-Seite der Volksvertretung im Chat Rede und Antwort stehen. Die französische Sozialistin will dabei das Gesamtvorhaben kurz erläutern. Ihrer Ansicht nach werden die Rechte der Verbraucher und Internetnutzer in Europa spürbar gestärkt. Die novellierten Richtlinien müssen von den Mitgliedsstaaten innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden, sobald auch der Rat offiziell grünes Licht für das Gesamtpaket gegeben hat. Dies soll noch Ende November geschehen.

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(jk)